Review Peter Coretto – Angst kostet Freiheit

Auch wenn Innovation nicht unbedingt zu den tragenden Säulen des Punkrock gehört, gibt es immer wieder Beispiele für Bands, die sich musikalisch weiterentwickeln und Inhalte jenseits klischeehafter Genreplattitüden bieten wollen. So auch PETER CORETTO, die mit dem Album „Angst kostet Freiheit“ ihre vierte Veröffentlichung seit der Bandgründung im Jahr 2000 präsentieren. Was haben die Münchner abseits der typischen drei Akkorde zu bieten?

Eigentlich eine ganze Menge: Vom klassischen Schrabbeleinerlei heben sich PETER CORETTO erfolgreich ab, indem sie ihrem (nicht übermäßig harten) Punkrock regelmäßig und wohldosiert Elemente aus anderen Musikrichtungen hinzufügen. So gibt es beispielsweise im letzten Drittel des Openers „Vergiss nicht zu atmen“ auch mal verspielte, beinahe jazzige Rhythmusstrukturen auf die Ohren – oder post-rockig anmutende Gitarrenriffs im atmosphärischen „A. R. N. O. 12“. Auf wütende Ausbrüche wird dabei jedoch nicht verzichtet und so ist „Angst kostet Freiheit“ trotz oder auch wegen einer gewissen Eingängigkeit eine musikalisch spannende und abwechslungsreiche Post-Punk-Platte mit tollen Melodien geworden.

Aber auch inhaltlich hat die Truppe um Frontmann Marco Engelhard viel Schönes im Angebot: Wütende Parolen wechseln sich dabei mit ruhigen Textzeilen, politische Statements („Und wenn dann der Seehofer spricht wird es kalt im Kaltland…“) mit Medien- („Springer beweist es mir jeden Morgen, dass ein Großteil dieser Gesellschaft ein unsolidarisches Arschloch ist…“) und Gesellschaftskritik („Nur Förster sollten SUV fahren dürfen…“) ab. Und das Wechselspiel ist gelungen, denn PETER CORETTO können dem Zuhörer wahlweise Wahrheiten ins Gesicht schreien („„Rassismus – kein Meinung! Antisemitismus – keine Meinung! Faschismus, Sexismus – keine Meinung!“) oder ihn einfach zum Nachdenken und Reflektieren („Wenn Assimilation die gewünschte Art der Migration ist…“) anregen.

Zu den Highlights des Albums gehören ohne Frage die Vorabveröffentlichung „Sie zündeln wieder“, aber auch die zynische-ironische Ode an die Übertechnisierung „A. R. N. O. 12“. In „Fanal“ zitieren PETER CORETTO den politischen Aktivisten und Anarchisten Erich Mühsam – auch dieser Titel ist einer der Höhepunkte auf dem ersten Longplayer der Münchner seit „Die Position verpflichtet“ aus dem Jahre 2004. Produziert wurde „Angst kostet Freiheit“ von Torsun Burkhardt (Egotronic), Mischung und Mastering sind dynamisch und transparent – nichts wirkt künstlich angefettet oder überkomprimiert, das hört man gerne.

PETER CORETTO ist mit ihrem neuen Album ein echtes Kleinod geglückt: „Angst kostet Freiheit“ bietet sowohl musikalisch als auch inhaltlich Substanz und offenbart viele Details erst nach mehrmaligen Hören – der Langzeitspaßfaktor ist also auch gegeben. Dass der bisweilen an Turbostaat erinnernde Gesang recht präsent im Vordergrund steht, ist vielleicht nicht jedermanns Sache und gewöhnungsbedürftig – gehört aber zu den Markenzeichen von PETER CORETTO und war auch schon auf der 2010er EP „Gier“ zu hören und passt zum klanglichen Gesamtkonzept.

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Wertung: 8 / 10

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