Review Pestilence – Spheres

Wenn ein Album so heftige Kritik auslöst, dass eine Band daran zerbricht, hat sie entweder viel falsch gemacht oder aber war so visionär, dass sie ihrer Zeit schlicht voraus war. Im Fall von PESTILENCE und deren Werk „Spheres“ trifft zumindest aus heutiger Sicht definitiv Letzteres zu. „Spheres“ war 1993 die vierte und dann auch vorerst letzte CD der Niederländer – nicht zuletzt, weil dieses Album so negatives Feedback bekam, dass Mastermind Patrick Mameli die Band anschließend für fast 15 Jahre auf Eis legte.

Dabei war die Entwicklung, die PESTILENCE mit „Spheres“ machten, in der damaligen Zeit eigentlich gar nicht so unorthodox: Death Metal mit Jazz-/Fusion-Elementen zu kombinieren war damals ein so angesagter wie anerkannter Trend – auch Death, Atheist oder Cynic verfolgten diesen Trend. Dass ausgerechnet PESTILENCE mit „Spheres“ für so viel Unmut sorgen sollten, war da kaum abzusehen.

So haben etwa die harschen Vocals von Mameli im Vergleich zum Vorgängeralbum „Testimony Of The Ancients“ nichts an Aggression eingebüßt, und auch die Songstrukturen sind über weite Strecken sehr geradlinig. Was die Fans verstört haben dürfte, dürften dann auch weniger die proggigen Soli oder genrefremden Einflüsse gewesen sein als der Sound. Tatsächlich ist dieser sehr gewöhnungsbedürftig: Während die atmosphärischen Parts sehr weich und eher nach früher Rock-Musik klingen, haben die Gitarren einen schneidenden, trockenen und recht flachen Klang, an den man sich erst einmal gewöhnen muss. Dann aber ermöglicht er nicht nur, das bemerkenswerte Bassspiel in jedem Ton herauszuhören, sondern gibt „Spheres“ auch die nötige Transparenz, um die atmosphärischen Elemente im Detail zu hören.

Wie schon auf dem Vorgänger lockern PESTILENCE das Album durch einige Interludes auf – das von Streichern geprägte „Aurian Eyes“, das „spacige“ „Voices From Within oder „Phileas“, ein verträumtes Bass-Solo. Doch auch in den Songs arbeiten PESTILENCE so begeistert wie versiert mit sphärischen Synth-Texturen für Gitarre (nicht etwa Keyboards, wie man zunächst denken könnte!), die Songs wie „Multiple Beings“ zwischendurch atmosphärisch in die Weiten des Weltraums entschweben lassen. Dazu tragen auch Mamelis virtuose Soli bei, die wie ein milder Frühlingswind zwischen die progressiven, oft abgehackt rhythmisierten Riffs wehen. Das reicht so weit, dass „Personal Energy“ dann quasi komplett fusionbasiert ist – und auch das finale „Demise Of Time“ ist eine einzige verrückte Reise durch alle möglichen musikalischen Sphären. Wer Death Metal erwartet, könnte davon tatsächlich überfordert sein.

Alles in allem ist „Spheres“ ein furchtbares Death-Metal-Album. Aber die Idee hinter „Spheres“ war wohl auch nie, Death Metal zu komponieren, wie man ihn schon damals kannte. Und so ist „Spheres“ als Progressive Metal nichts weniger als ein musikalisch visionäres und technisch brillant ausgeführtes Album, das vor allem eines zeigt: was sich aus Death Metal heraus alles entwickeln kann. Dass ausgerechnet dieses Meisterwerk der Band so wenig Glück brachte, ist Ironie des Schicksals. Ein Grund mehr, PESTILENCE heute für dieses Album Respekt zu zollen.

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Wertung: 9 / 10

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