Review Peccatum – Lost In Reverie

„Experimentiell“ und „progressiv“ sind wahrlich noch zu milde Ausdrücke, um einer Beschreibung der schweren Kost, welche Ihsahn (Gründungsmitglied der leider beerdigten Legende Emperor) und Ihriel hier kredenzen, würdig zu werden. Denn auch das dritte Album ihres Projektes Peccatum stellt ein eigenwilliges und nur bedingt visionäres Sammelsurium verschiedenster Musikrichtungen dar, wie es sonderbarer kaum sein könnte. Ein Hauch von avantgardistischem Metal, der zart-düstere Einflüsse aus Ambient bzw. Elektronika mit sich bringt, trifft auf postmoderne Pop- und TripRock-, sowie Acid- und Lounge Jazz-Elemente, denen obendrein eine großzügige Brise Industrial beigefügt ist. Zudem erzwingen auch noch klassische Instrumente wie Klavier und Violine ihr Daseinsrecht. Das Ergebnis ist eine hypervertrackte Synthese, die trotz aller abstrusen Schönheit nicht selten zu unkoodiniert erschallt. Im krassen Gegensatz dazu stehen jedoch wiederum einige Passagen, bei denen die einzelnen Soundfragmente fulminant verstrickt und ineinandergeschachtelt sind. Insgesamt sehe ich auf keiner Seite ein Übergewicht.

An dieser Stelle möchte ich betonen, dass die Songs einfach zu lang und komplex ausfallen, als das man den Aufbau eines jeden Einzelnen in angebracht detailliertem Maße wiedergeben könnte. Allgemein gesehen werden Stimmungswechsel natürlich sehr groß geschrieben. Hierbei bauen Peccatum auf nahezu perfide Harmonien, welchen ich tatsächlich eine gewisse Anmut abgewinnen kann. Diese geht wohl in erster Linie von dem faszinierenden Gesang Ihriels‘ aus. Dennoch wird so manches Flair zu abrupt gewechselt, was, in Verbindung mit dem dadurch entstehenden Kontrast, ziemlich nervenzerrend für den Hörer ist. Ein gehöriges Manko, das durch die glücklicherweise nur rar gesäten, aber ebenso grässlichen Samples, wie zum Beispiel in „Stillness“, noch zusätzlich genährt wird. Dieses teils unruhige Voranschreiten formt letztendlich auch den negativen Knackpunkt der Platte: Sie ist eine substanzraubende Achterbahnfahrt, die den Hörer zwar akustisch beansprucht, aber innerlich weder fesselt noch entführt. Da nutzen die technisch zweifellos überragenden Arrangements ebenfalls nichts. „In The Bodiless Heart“ erachte ich persönlich noch am verdaulichsten. Der Song gleitet wunderbar sphärisch durch den Raum und lebt neben dem tranceartigen Gesang vor allem von munteren Akustik-Gitarren und minimalistischer Percussion. Ein fabelhaft integrierter, melancholischer Touch ist hier vorzufinden. Das Riffing nimmt eher einen Platz auf den hinteren Rängen ein, wodurch der Song stets ein bisschen Unbeschwertheit bewahrt. „Black Star“ ist von allen Tracks am meisten schwarzmetallisch beschlagen, was die CD für Black Metal-Anhänger allerdings nicht interessanter machen dürfte. Sowieso scheinen diese auch keineswegs die Zielgruppe von Peccatum zu sein, wobei man sich in diesem Falle fragen muss, ob eine solche überhaupt existent ist. Jeder, der sich selbst mit Fug und Recht als musikalisch überdimensional aufgeschlossen bezeichnen darf, könnte eventuell Gefallen an „Lost In Reverie“ finden. Ansonsten sehe ich hier nur wenig Chance auf durchweg positiven Anklang. Doch das sind eben die extremst zwiespältigen Meinungen, welche Peccatum seit je her zu Teil wurden.

(Daniel H.)

Wertung: 5.5 / 10

Geschrieben am 5. April 2013 von Metal1.info

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert