Es scheint so, als wäre 2012 und 2013 die Zeit für emotionalen Punkrock und Hardcore – nach der umjubelten Rückkehr von Hot Water Music und Boysetsfire sowie mit dem Aufstieg von Bands wie La Dispute, Touché Amoré oder Title Fight kann zumindest nicht mehr von einer singulären Erscheinung gesprochen werden. Diese Entwicklung beschränkt sich glücklicherweise nicht nur auf Amerika und Europa (wo besonders The Tidal Sleep für Aufsehen sorgen), sondern streckt ihre Fühler bis nach Australien aus. PAPER ARMS beweisen mit ihrem ersten Europa-Release „The Smoke Will Clear“, dass sie sich nicht hinter den eingangs genannten Bands verstecken brauchen und legen ein mitreißendes Album zwischen (Post-)Hardcore und Punkrock vor, das sich dabei niemals poppigen Momenten verschließt und die ganz große Geste nicht scheut.
Der Einstieg in Form von „Tanks Of Dust“ lässt sich mit einem Feedback-Pfeifen und einer ruhigen Gitarrenmelodie erst einmal Zeit, bis sich Josh Manns kratzige Stimme über das Dröhnen legt und schließlich den Weg für einen melodischen Punkkracher erster Güte freimacht. Eingängige Riffs, druckvolles Schlagzeugspiel und ein warmer, packender Bass sind auch auf den folgenden zwölf Songs tonangebend. Dabei wird die Palette des Genres vollständig genutzt: Die schnellen Punksongs (wie zum Beispiel das wütende „Choke“) werden immer mit Hintergrundchören und Gangshouts angereichert, während sich andere Nummern („Tense) im groovenden Midtempo pudelwohl fühlen, dabei aber nicht weniger mitreißend präsentiert werden. Stilistisch – und besonders was den Gesang betrifft – erinnern PAPER ARMS immer wieder an die jugendliche Rebellion von Title Fight, wobei auch die rohen Seiten von Bands wie Jimmy Eat World oder The Get Up Kids oder die Eingängigkeit von Thrice („Sliping“) nie weit entfernt sind.
Dass die Band schon seit über vier Jahren in Australien tourt und mit „The Smoke Will Clear“ keinen Schnellschuss abgegeben hat, erkennt man am durchdachten und begeisternden Songwriting, welches die ähnlich erscheinenden Songs nie eintönig, sondern im Gegenteil immer frisch und abwechslungsreich klingen lässt. Mit „These Nights“, welches sich am Ende zu einer nahezu epischen Hymne entwickelt, und dem nahezu perfekten Rocksong „Colfax Road“, der mit energetischen Rhythmusspielereien und unfassbaren Dynamiken ohne Einschränkung zu begeistern weiß, haben PAPER ARMS bereits zwei potentielle Klassiker im Gepäck.
Dass die Songs hier im Schnitt nie länger als zweieinhalb bis drei Minuten dauern, versteht sich von selbst – alles andere würde die treibende Energie auf „The Smoke Will Clear“ nur unnötigerweise abbremsen. Auch textlich weiß die Band zu überzeugen und präsentiert ihre Geschichten über Liebe und Alltag in einer leidenschaftlichen Art und Weise. Schade dabei ist lediglich, dass den Hörer – trotz der hohen Qualität der Musik – ständig das Gefühl beschleicht, diese Songs alle schon einmal irgendwo anders gehört zu haben, oder anders ausgedrückt: PAPER ARMS gehen konsequent einen bereits ziemlich ausgetretenen Weg weiter und nehmen somit in Kauf, mit ihren eindeutigen Vorbildern verglichen zu werden. Da dieser Vergleich allerdings meistens mindestens unentschieden ausfällt, ist an diesem Vorgehen auch nicht viel zu kritisieren. Mit ein wenig mehr Eigenständigkeit kann es die sympathische Band aus Australien auf jeden Fall schaffen, in Zukunft eine eigene Institution zu werden.
Wertung: 8 / 10