Artwork des Albums It’s Never Too Late To Have A Happy Childhood der Band Painkiller Party -

Review Painkiller Party – It’s Never Too Late To Have A Happy Childhood (+)

„Painkiller“ ist ein Signalwort in der Metal-Szene, bei dem wohl die meisten Fans sofort an den Klassiker von Judas Priest denken. Dass man das zweite Glied im Namen von PAINKILLER PARTY, die schon auf ihren Bandfotos weit weniger true anmuten als Rob Halford in Lederkluft, jedoch nicht unterschlagen sollte, zeigt das Quartett aus Deutschland nun mit seinem mittlerweile zweiten Album „It’s Never Too Late To Have A Happy Childhood“. Auch das Cover-Artwork legt erneut nahe, dass die Combo von traditionellem britischem Stahl nach wie vor so weit entfernt ist wie Boris Johnson von EU-Beitrittsgesprächen.

Dahinter steckt wie bereits auf dem Debüt „Welcome To The Party“ (2019) eine auf Feierei ausgerichtete Variante grunzender Core-Mucke mit Death- und Electronic-Ausrichtung. Die Vocals – dass solche Gutturallaute auch eine Frau produzieren kann, ist 2021 in Promo-Agenturen immer noch Besonderheit genug, um es prominent hervorzuheben – wurden ebenso wie die Keyboard- und programmierten Sounds in den Vordergrund gemischt, während die Gitarre im Löwenanteil der Platte in die zweite Reihe verbannt wurde. Auch die Drums klingen – getreu dem digitalen, kalten Sound des Albums – steril und komprimiert. Musikalisch bieten PAINKILLER PARTY mal schleppenden Groove-Core, der für die obligatorischen und teilweise unkonventionell platzierten Breakdowns im Tempo noch weiter heruntergeschraubt wird, mal stampfende Midtempo-Parts, gewürzt mit Stakkato-Riffing und der gelegentlichen Uptempo-Stürmerei.

Im Ergebnis führt das zu zwölf witzig-originellen bis weniger gelungenen Songs. So wurde „Nerdlove“ so liebevoll wie erwartbar mit 8-Bit-Samples versehen. Doch während man das Nervpotenzial der Electro-Spielereien in Track 09 mit gutem Willen noch dem Thema des Songs (eifersüchtige Partner*innen) zuschreiben kann, stellen diese die Hörer*innen im Rausschmeißer „We’re Still Fucking True“ – einem zwischen clownesken Lounge-Parts und harten Doublebass-Attacken mäandernden Stück – regelrecht vor eine Herausforderung. Dafür wirkt ein Track wie „Well Then, Max (…)“, ein schneller Rocker mit vergleichsweise dezenten Electronica, wie eine Entschädigung.

Auf diese Weise wandern PAINKILLER PARTY auf dem schmalen Grat zwischen Top und Flop durch ihr Album. Songs wie „B*kk*k* (This Party Sucks)” oder „Gang Bang Tango“ gehen gut nach vorne, während „I’m Empty, You’re Full“, der Titeltrack und das Straight-Edge-Bekenntnis „Edgy“ mit gelungenen Refrains aufwarten, die auch im Gehör bleiben. Allerdings sind die Clean-Vocals von Drummer Noel bisweilen so cringe wie der Instagram-Account von Philipp Amthor (der deutsche Akzent macht es nicht besser) und man weiß nicht so recht, ob man den Ohrwurm jetzt würdigen soll oder es doch eher wie bei diesem fiesen Katy-Perry-Song ist, den man einfach nur zu oft im Radio hören musste.

Es ist also ein zweischneidiges Schwert mit PAINKILLER PARTY – das sieht man auch daran, wie sehr die Band polarisiert und mit wie viel Hass aus dem Web sie sich allein schon für ihr Auftreten konfrontiert sieht. Daher ist dieses zweite Album auch ein Statement. Es ist ein Stinkefinger in Richtung all derer, die sich daran stören, wenn sich solcherlei Künstler*innen exponieren – oder sogar in einem Videoclip küssen! –, die nicht dem Schönheitsideal einer Alissa White-Gluz oder dem Männlichkeitsbild eines Zakk Wylde entsprechen. Oder auf gut deutsch: die nicht als traditioneller Metal-Posterboy oder doch zumindest als Masturbationsvorlage taugen. Ebenjene Klientel johlt bewundernd, wenn Debauchery oder Rammstein als Musikvideo ein Sexfilmchen veröffentlichen und auf der Bühne mit nackten Brüsten oder Dildos wackeln. Auf Porno-Comedy, wie sie PAINKILLER PARTY abliefern, reagieren sie hingegen, als sei es der Untergang des heiligen Metal-Abendlandes. Sie applaudieren der Provokation um der Provokation willen, fühlen sich aber selbst provoziert, wenn es nicht gerade Till Lindemann ist, der mit einer riesigen Peniskanone Spermaseifenschaum ins Publikum abfeuert.

Dabei spiegelt die absurde wie fatale Fehlinterpretation, dass es sich bei PAINKILLER PARTY um etwas Ernstes handelt, das die Band folglich überhaupt erst zu etwas potenziell Bekämpfenswertem macht, nur die eigene Humorlosigkeit wider. Es zeigt die Doppelmoral all jener auf, die aufschreien, dass das doch albern sei, die aber gleichzeitig Blödel-Combos wie Alestorm oder Kitsch-Kapellen wie Sabaton abfeiern – und dabei nicht merken, dass sie damit in weit beträchtlicherem Maße zur fortschreitenden Ballermannisierung der Metal-Szene beitragen. Dass sich PAINKILLER PARTY mit ihrem Konzept de facto in einer Nische innerhalb einer Nische bewegen, macht den Hate, der einer solchen Band entgegenbläst, nur noch skurriler.

Ob man nun über Humor oder Geschmack streiten kann oder nicht, darüber wird selbst leidenschaftlich gestritten. Fakt ist: Um ein Album wie „It’s Never Too Late …“ zu veröffentlichen, gehört weit mehr, als es sich in der Komfortzone einer glattpolierten Bombast-Produktion zwischen fetten Gitarren und donnernden Drums gemütlich zu machen – nämlich Mut, sein eigenes Ding durchzuziehen, ohne sich zugleich an den Massengeschmack der oberflächlichen Metal-Mitte anzubiedern. Wer Lust auf so etwas hat, kann eins der etlichen einschlägigen Alben hören, die genau so klingen. PAINKILLER PARTY sind ein fleischgewordener Trigger für alle konservativen Szenewächter, reaktionären Genrepolizisten und elitären Tastaturkrieger, die mit ihrem engstirnigen Schwarzweiß-Szenebild bei der Einordnung dieser Combo in ihrer selbstgebauten Sackgasse landen. Aller Polarisierung zum Trotz: Man muss die Band nicht gleich glühend verehren, nur um sich nicht einreihen zu müssen in die Riege bornierter Nörgler. Doch zeigt sie, dass man im Metal bunt, lustig und zugleich fucking true sein kann – zumindest sich selbst gegenüber und auch ganz ohne Leder und Nieten.

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Wertung: 6.5 / 10

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