PAGAN’S MIND – genau, das waren doch die, die auf ihrem zweiten Album „Celestial Entrance“ so rotzfrech in ihrem Song „The Prophecy Of Pleiades“ die Genre-Vorreiter Dream Theater kopiert – oder freundlicher ausgedrückt – ihnen einen Song gewidmet haben. In besagtem Song fand sich ziemlich genau die Strophenmelodie von Dream Theaters „Learning To Live“ mit nur leicht veränderten Lyrics wieder. Schon damals war mir PAGAN’S MIND als eine wieselflinke Instrumentalcombo aufgefallen, die lediglich durch den nur mittelprächtigen Gesang von Nils K. Rue zurückgeworfen wurde. Fünf Jahre sind seitdem vergangen, die Band hat in der Zwischenzeit mit „enigmatic:calling“ (2005) ein mir unbekanntes drittes Werk vorgelegt und bläst nun mit „God’s Equation“ erneut zum Angriff auf die Höchsten der Power-Progmetal-Scheibenwelt.
Was hat sich auf den ersten Blick verändert? Das Cover der neuen Scheibe ist wieder einmal blau, wie schon die drei Artworks davor. Immernoch geht es um Fantasy und Science Fiction der eher kitschigen Art. Verkaufsträchtig prangt eine recht unsympathische Frau mit deutlich zu vielen Armen auf dem Frontbild, zwischen dem traditionellen Stargate. Natürlich bekommen wir auch sofort ihre Reize serviert, damit sich der Bandname besser einprägt. Scherz beiseite: Die größte Änderung seit meinem letzten Kontakt ist, dass der Zweitgitarrist Thorstein Aaby wohl nach dem Zweitling ausgestiegen ist und die Band seitdem als Fünfer agiert. Wie ich bei meinen Recherchen feststellen musste, ist Aaby im Juli dieses Jahres nach schwerer Krankheit im Alter von nur 36 Jahren verstorben.
An der Musik von PAGAN’S MIND hat die Umstellung auf nur fünf Musiker allerdings keine Spuren hinterlassen. Das Album startet mit dem sphärischen Instrumentalintro „The Conception“, das nach zwei Minuten prompt aufhört und sehr ruppig in den Titelsong der Platte übergeht. Spart euch doch bitte solche netten Intros, wenn sie keinerlei Sinn haben. Danke! „God’s Equation“ planiert dann gleich mal richtig los: Mächtige Gitarrenwände, preschendes Schlagzeug, verzehrte Keyboardsounds und wenig später die schon sehnlichst erwartete DoubleBass. Der erste Gesangseinsatz von Nils K. Rue nach etwa einer Minute wirkt zunächst Wunder: Ich hatte seine Stimme doch wesentlich anstrengender in Erinnerung. Er ist zwar nach wie vor ein richtig metallischer Shouter mit allem was dazugehört – setzt die eine oder andere Melodie also auch mal eine Oktave zu hoch an oder grunzt, von moderner Technik unterstützt, mal im stimmlichen Keller rum – wirkt aber im Großen und Ganzen doch wesentlich reifer als noch vor fünf Jahren. Eins, zwei Schippen Heavyness und Härte hat die Band seitdem freilich auch draufgelegt. Die musikalische Ausrichtung ist dabei natürlich gleich geblieben. Man präsentiert spielerisch anspruchsvollen Progressive Metal mit überdeutlichem Powermetaleinfluss. Das melodische Solo von Gitarrist Jörn Viggo Lofstad ist bereits das erste Highlight in dieser frühen Phase der Platte. Hier, wie auch im weiteren Verlauf des Albums, gilt das alte Gesetz: „Willst du was werden und nicht den Power-Prog-Tod sterben, sei einer von Dream Theaters Erben“. PAGAN’S MIND haben in ihrem Leben eindeutig zu viel Dream Theater gehört. Dazu gesellt sich die eine oder andere Portion Stratovarius (hierzu höre man das ausgesprochen melodische, ohrwurmige „United Alliance“) und Queensryche. Ich gehe mal stark davon aus, dass Sänger Nils K. Rue gern so klingen würde wie Geoff Tate von Queensryche, es aber nun mal – trotz stimmlicher Verbesserung – immer noch nicht tut und nie tun wird.
„Atomic Firelight“ haut uns zu Beginn erstmal mächtig Thrashbomben um die Ohren, wartet dann mit verzehrtem Space-Kreisch-Grunz-Gesang auf, ehe wieder die hohen Powermetalvocals zu Besuch kommen. Dieser Song hat sich dank der stimmungsvollen Thrasheinlagen live als eine ziemlich starke Nummer erwiesen, wird aber leider auf dem Album durch einen allzu unpassenden Refrain ausgebremst. Als nächstes auf der Speisekarte dieses durch und durch süßen, leicht klebrigen Menüs steht das David Bowie-Cover „Hello Spaceboy“. Nett gemacht, aber wenig beeindruckend. „Evolution Exceed“ startet mit seltsam wabernden Keys, entwickelt sich dann zu einer stark groovenden Nummer mit aggressivem Gesang und dem üblichen Melodic-Chorus, auf den Bands dieser Art natürlich nicht verzichten können. Bei allen Versuchen von PAGAN’S MIND, ihre Musik durch Produktionsgimmicks und das einbinden verschiedener Gesangsstile variantenreich zu halten und möglichst viele Fans aus unterschiedlichen Lagern anzusprechen, bleibt es doch Porno-Power-Prog, was die Herren da fabrizieren. Den „musikalischen Boliden aus Groove, Melodie, intelligenter Heavyness und anspruchsvollem Songwriting“, den der Promozettel vollmundig verspricht, bieten zweifelsohne auch die verbleibenden fünf Tracks. Mal vertrackter, mal melodischer, mal luftig, mal völlig zugekleistert. Zum Abschluss gibt es natürlich mit „Osiris’ Triumphant Return“ noch mal einen beinahe neunminütigen Longtrack, sonst könnten die Leute ja noch auf die Idee kommen, dass hier kein Prog drauf sei und die CD doch im Laden liegen lassen. Auf die übliche Metalballade hat man dafür verzichtet, klingt ja sowieso immer gleich und will ja eigentlich auch niemand hören. Ob die Hörer beim Genuss von „God’s Equation“ an Überzuckerung sterben oder die zugekleisterten Kitschwände nicht hochklettern, sondern nur orientierungslos davor laufen, mit solchen Gedanken beschäftigt sich die Band gar nicht erst.
Am Ende bleiben 60 Minuten, die nur so vollgestopft sind mit allem, was ich an Progressive Metal und anspruchsvoller Musik so schätze. PAGAN’S MIND haben immer noch das alte Problem: Ihre Musik gehört prinzipiell zum besten, was es aus dem Bereich Power-Progmetal so gibt, die Band legt sich aber durch den Anspruch, ganz besonders abwechslungsreich, vielschichtig, tiefgehend, schnell, hart – sprich durch den Anspruch, die ultimative Band zu sein – selbst fesseln an. So klingt fast alles gleich und es entsteht der Eindruck eines undefinierbaren Breis. Ich bleibe bei meinem alten Fazit: Hier arbeiten grandiose Instrumentalisten mit einem Sänger zusammen, der die Wirkung der Musik völlig kaputtmacht. Mit einem anderen Sänger und bedachterem, abgespeckterem Songwriting könnte es die Band irgendwann einmal schaffen, nicht nur weiter auf Fanfang im großen weiten Powermetal-Universum zu gehen (denn das funktioniert scheinbar im Moment schon ziemlich gut), sondern auch irgendwann mal ein Album zu hinterlassen, das die Prog- und Powermetalszene wirklich braucht. Bis dahin empfehle ich euch, PAGAN’S MIND auf jeden Fall anzuchecken und für euch klar zu machen, ob ihr mit dem Gesang und dem Onanieren an den Instrumenten klar kommt. Wenn ihr Zuckerwatte mögt, stehen eure Chancen gut.
Und nur noch mal unter uns: Die Punktzahl verrät, dass PAGAN’S MIND bei mir einen Stein im Brett haben.
Wertung: 7.5 / 10