Orbit Culture - Descent

Review Orbit Culture – Descent

  • Label: Seek & Strike
  • Veröffentlicht: 2023
  • Spielart: Groove Metal

Der steile Aufstieg von ORBIT CULTURE ist schon beachtlich: Obwohl die Band bereits 2013 ihre ersten Schritte machte und mit Ausnahme von Bandleader Niklas Karlsson personell seither einmal komplett durchgetauscht hat, war sie wahrscheinlich bis zum Album „Nija“ im Jahr 2020 noch ein guter Geheimtipp. Die Corona-Pandemie erfolgreich überstanden, bezeichnet die Truppe selbst ihren Auftritt beim „Dalhalla Brinner“-Konzert am 6. August 2022 als Durchbruch, zumindest was das Touren betrifft. Denn an diesem Abend eröffneten sie ein exklusives Konzert in Rättvik, Dalhalla für keine geringeren als In Flames, die sie daraufhin einluden, auch bei ihrer anstehenden US- und Europa-Tour einzuheizen. ORBIT CULTURE spielten plötzlich vor dem riesigen Publikum einer Majorband und erarbeiteten sich eine stetig wachsende Fanschar, die sie in diesem Jahr bei einer erneuten US-Tour, dieses Mal mit Avatar, weiter ausbauten. Die anstehende Tour mit Trivium von August bis September und der zweite Abschnitt der Avatar-Tour wird ihr übriges tun.

Doch zwischen all dem Touren und zahlreichen Festival-Auftritten veröffentlicht die Band kontinuierlich auch neue Musik in Form von EPs („Shaman“ im Jahr 2021), oder Singles als Vorboten für das hier nun vorliegende Album „Descent“. Dieses ist das vierte der Band und wurde mit Spannung erwartet. Die vorgeschickten Songs „Vultures Of North“ und „From The Inside“ ließen vermuten, dass das Groove-Metal-Quartett erneut eine breit gefächerte Kollektion detailverliebter Songs zusammengestellt hat. Während erstgenannte Nummer mit das Aggressivste ist, was „Descent“ zu bieten hat, kommt „From The Inside“ bandtypisch sehr über die Eingängigkeit und bietet einen packenden Chorus.

Aber der Reihe nach: Mit „Descending“ macht erstmals ein klassisches Intro den Anfang, dem das markante Startriff von „Black Mountain“ folgt. Mit Ausnahme des sehr eingängigen Refrains bleibt dieser Song jedoch überraschend blass und wirkt mit seinen fünfeinhalb Minuten etwas zu lang. Sehr viel spannender wird es im Anschluss mit „Sorrower“, einer großzügig groovenden Nummer, einem echten Grower. Je häufiger man „Sorrower“ hört, desto größer wird die Freude daran. Was stampfend und dann ohrwurmig beginnt, mausert sich nach drei Minuten zu einem Brett, das hier und da gar an Testament erinnert, ehe dann ein plötzlicher Stop erfolgt und eine Drehleier ins Spiel kommt, die dem geneigten Zuhörer in ähnlicher Form von „A Sailor’s Tale“ bekannt vorkommen dürfte. Das anderthalbminütige Outro dieses dritten Songs sind Klasse und Spielfreude pur!

Nach den erwähnten beiden Singles folgt dann das wütende „Alienated“, das seit einiger Zeit regelmäßig im Liveset Beachtung findet und somit den Fans der Band auch über Youtube schon bekannt sein mag. Durchaus neue Töne erklingen mit „The Aisle Of Fire“, dem vielleicht schwedischsten aller Orbit-Culture-Songs. Klassisch götheborgsche Gitarren-Tunes hat man bis dahin in der Form nicht im Repertoire gehabt und doch ist es den Schweden gelungen, nicht irgendwie nach alten In Flames oder At The Gates zu klingen, sondern diese typisch regionalen Trademarks mit einem modernen, man kann es schon so sagen: unverkennbaren Anstrich aus Eksjö, der Heimat der Band, zu verarbeiten.

„Undercity“ zeigt dann auf, welche Band der musikalische Wegweiser von Songschreiber und Sänger Niklas Karlsson ist: Metallica– bzw. Hetfield-Vibes durch und durch, und doch unendlich viel ORBIT CULTURE. Dieser Band gelingt es spielerisch, die eigenen Ikonen zu grüßen, ohne dabei auch nur im Ansatz wie ein Abklatsch zu wirken, sondern stets sie selbst zu sein.

Das dieses Album beschließende „Through Time“ ist für ORBIT CULTURE derart ungewöhnlich, dass es die vorigen neun Songs regelrecht in den Schatten stellt. „Through Time“ ist eine atemberaubende Halbballade, die nicht nur die Band in einem nie dagewesenen Kostüm zeigt, sondern ihrem Sänger auch völlig neue gesangliche Facetten entlockt. Dieser Song ist ein packendes Erlebnis, das dem Erklimmen eines Berges ähnelt. Es wird stetig intensiver und gipfelt dann in der letzten Strophe mit einem Finale, das mehr nach Prime-Gojira klingt als die Franzosen heutzutage selbst. Weltklasse!

„Descent“ ist ein sehr erwachsenes Album, bei dem es abseits typischer Vers-Chorus-Vers-Chorus-Strukturen unendlich viel zu entdecken gibt. Kein Song gleicht dem nächsten und die gekonnt eingesetzten cineastischen Soundelemente runden sie wunderbar ab. Dass ein Song strukturell eine 180-Grad-Wende hinlegen kann, ist für diese talentierte Band nichts Neues, das gab es bei Titeln wie „Sun Of All“ oder „Way Of The Masses“ schon lange, doch die Qualität im Songwriting bei ORBIT CULTURE entwickelt sich stetig weiter. Ein wenig Gefahr besteht allerdings, die einzelnen Songs allmählich zu überladen, in dem man hier noch ein i-Tüpfelchen unterbringt und da auch noch. Unterm Strich bestätigen die Schweden mit „Descent“ die weit verbreitete Meinung, dass ORBIT CULTURE auf dem Weg ist, eine ganz bedeutende und prägende Band der kommenden Jahre zu werden. Der behutsam aufgebaute Karriereweg mit einer guten Schlagzahl an neuen Veröffentlichungen, Fan-naher Präsenz bei Konzerten und in Social Media und allen voran das emsige Touren als Support Act vor größerem, fremden Publikum wirkt goldrichtig und effizienter als überstürztes Touren als Headliner, bei dem bedeutend schwerer neues Publikum erschlossen werden kann.

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Wertung: 8.5 / 10

Publiziert am von Andreas Althoff

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