Review Ophthalamia – Via Dolorosa

Dreizehn Jahre sind eine lange Zeit, das bestätigte auch Erik „Legion“ Hagstedt, als ich ihn im Mai darauf ansprach, dass er 1995 zum ersten Mal eine gepresste Silberscheibe in Händen halten konnte, die er mit seinem Gesang veredelt hatte. Nicht mit Marduk war das gewesen, sondern mit den schweden von OPHTHALAMIA, die sich zwar 1998 nach vier Alben bereits auflösten, die aber trotz allem einen sehr beeindruckenden Status inne haben, was aber vor allem an ihren verschiedenen Besetzungen lag. Bei der 1989 von den Abruptum-Bandmates It und All gegründeten Band spielten nämlich nach und nach ziemlich viele Leute, die großes für den schwedischen Extrem-Metal leisteten, darunter wie gesagt Legion, Edge-Of-Sanity-Trommler Benny Larsson, der mittlerweile verstorbene Dissection-Kopf Jon Nödtveidt, und und und…

Es ist wohl kein so großes Geheimnis, dass ich vor allem Legion für einen wirklich großen Künstler, einen verdammt guten Sänger und auch einen richtig netten Kerl halte, also scheute ich keine Kosten und Mühen, um mir die zweite CD der Formation mit dem Titel „Via Dolorosa“ (zu Deutsch in etwa: Pfad der Schmerzen) quasi ohne vorher reinzuhören zuzulegen, auf der der gute Mann seine Stimmbänder malträtierte. 1994 wurde das gute Stück in den „Ophthalamia Studios“ von niemand geringerem als Dan Swanö aufgenommen, was schon mal für Qualität spricht. Auch unter Value-for-Money-Aspekten kann das Teil vollauf überzeugen. Zehn Tracks finden sich darauf, die meisten mit Überlänge (damit meine ich nicht die Buchstabenanzahl der Titel, obwohl das auch stimmen würde), insgesamt kommen wir auf etwa 68 Minuten Musik. Also rein in den Player und mal ein Ohr riskiert…

Das „Intro / Under Ophthalamian Skies / To the Benighted“ (Original OPHTALAMIA-Titel™, nur echt mit mindestens einem Slash mitten drin…) beginnt mit einer sanft gezupften Akustikgitarre (an der Jon Nödveidts Bruder Emil, man kennt ihn vielleicht von den Deathstars, seine Finger hatte), dann ertönt ein Schrei wie er nur Legions Kehle entspringen kann, Schlagzeug, Bass und E-Gitarre setzen ein, allerdings ohne den Song zu wüstem BM-Geballer werden zu lassen. Das Ganze verharrt in gemäßigtem Tempo und die beiden Gitarren spielen zu Its Sprechpassagen, die uns ein wenig über OPHTHALAMIA (eine Fantasy-Welt, die von It erschaffen wurde und auf die sich die meisten Songs der Band beziehen) aufklärt, richtig anheimelnde Melodien. Ganz ehrlich? Das Intro ist der Hammer. Das klingt einfach super geil und macht jede Menge Lust auf mehr…

Mit „Black as Sin, Pale as Death / Autumn Whispers“ setzt dann auch schon der erste richtige Song ein. Klampfer It holt alles aus seiner Axt raus und rifft gar wüst in der Gegend rum, feuert eine Melodie-Salve nach der anderen ab, während die Rhythmusfraktion Night/Winter ebenfalls gute Arbeit leistet (vor allem das sehr vertrackte Drumming gefällt mir). Legions Gekreische besorgt den Rest. Er klingt noch nicht ganz so sicher wie er es zu späteren Zeiten mit Marduk tat, aber trotzdem leistet der junge Mann (damals war er, wenn ich mich nicht täusche, gerade mal 20) Großes. So weit, so schön…

Trotzdem fehlt etwas ganz entscheidendes an dem Song. Und zwar ist Night, der im Intro noch absolut sauber die Akustikklampfe bearbeitete, jetzt ja nun leider mit dem Bass beschäftigt. Naja, was heißt „leider“? Der Mann liefert eine wahnsinnig gute Vorstellung ab. Aber der aufmerksame Leser mag es schon bemerkt haben: OPHTHALAMIA haben auf „Via Dolorosa“ mit It nur einen einzigen Gitarrero im Lineup. Und den haben sie auch im Studio keine zwei Spuren einspielen lassen. Tatsächlich ist den ganzen Song hindurch nur eine einzige, einsame Gitarre unterwegs, die alle Nase lang sehr geile, technisch recht anspruchsvolle und vor allem toll klingende Riffs spielt. Aber der Hintergrund des Soundbilds ist dadurch so leer wie mein Geldbeutel am Monatsende…

Auch in den nächsten Tracks tritt da keine Besserung auf. Immer und immer wieder werden wir in den ersten Sekunden eines Liedes von den Drums, dem Bass und der einsamen Gitarre begrüßt. Ganz besonders schmerzhaft fällt das vor allem dann ins Ohr, wenn Legion gerade mal nicht seine markigen Schreie durch die Boxen hallen lässt, denn mit denen kann er noch einiges gut machen. Aber davon abgesehen muss man sagen, dass hier, entgegen dem alten Sprichwort, über weite Strecken mehr ganz einfach mehr gewesen wäre. Versteht mich nicht falsch, ich glaube ich wiederhole mich, wenn ich sage, dass Its Riffing hammergeil ist, aber mit einer anständigen Rhythmusgitarre im Hintergrund wäre es einfach noch einen ganzen Tacken besser.

Wenn man sich erst mal an das etwas ausgedünnte Soundbild (und die eher unhandlichen Titel, hehe) gewöhnt hat, dann macht „Via Dolorosa“ sogar richtig viel Spaß. Und hin und wieder, wie im Intro von Track 6 („Ophthalamia / The Eternal Walk (Part III)“), greift Nödveidt dann auch wieder zur Gitarre und wir kriegen ein bißchen mehr von der tollen Atmosphäre geboten, die das Zusammenspiel der Musiker im Intro heraufbeschwor. Das sind die Augenblicke, in denen OPHTHALAMIA wirklich die Ärmel hochkrempeln und mit beiden Händen tief in ihr musikalische Potential langen, um Großes zu Tage zu fördern. Ein paar mehr davon hätten allerdings nicht geschadet. Die stehen allerdings auch im krassen Kontrast zum letzten Track der CD, einem Cover von Mayhems Klassiker „Deathcrush“, der endlich mal richtig bollernd rüberkommt… Und deswegen absolut nicht zu den eher melancholisch ruhigen (stellenweise schon wie Lagerfeuermusik anmutenden) OPHTHALAMIA-Songs passen will. Meiner Meinung mal wieder ein Bonustrack, den die Welt einfach nicht gebraucht hätte, aber Schwamm drüber…

Was gibt’s jetzt im Endeffekt noch zu sagen? Hm… „Via Dolorosa“ ist auf jeden Fall eine sehr zwiespältige Angelegenheit und ob einem die Musik darauf gefällt, muss wohl jeder selbst mit sich ausmachen. Wer eher gemäßigtem Black Metal etwas abgewinnen kann, der könnte wohl auch mit OPHTHALAMIAs zweiter CD glücklich werden, aber beschwören möchte ich es nicht, denn ich brauchte auch eine ganze Weile, um mit „Via Dolorosa“ warm zu werden (wahrscheinlich weil ich anfänglich irgendwie etwas anderes erwartet hatte). Der Wermuthstropfen an der Sache ist wohl, dass man an die CD heutzutage nur noch sehr schwer herankommt (bzw. man sie nur noch ziemlich überteuert findet, wenn überhaupt) und auch Hörproben rar gesäht sind. Von meiner Warte aus sage ich: „Via Dolorosa“ ist eine schöne, ungewöhnliche CD und es lohnt sich sie zu besitzen, aber sie ist auf keinen Fall 20 oder 30 Euro wert.

Wertung: 7 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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