Technical Death Metal hat mitunter etwas von einem Größenvergleich eines gewissen, zwischen den Beinen gelegenen Körperteils. Wie in diesem Genre üblich protzen OPHIDIAN I gerne mit ihrem spielerischen Können und sie machen daraus auch keinen Hehl. Mit ihrem zweiten Album „Desolate“ wollen die Isländer laut ihrem Label nichts Geringeres, als den Gipfel der Musikrichtung zu erklimmen. Kein leichtes Unterfangen, müssen sie dafür doch erst an Vorzeigebands wie Archspire oder Obscura vorbei. Ob OPHIDIAN I sich in Sachen Songwriting und Sound tatsächlich an die Spitze ihrer Zunft katapultieren, ist wohl eine Geschmacksfrage – ihre Instrumente beherrschen sie jedenfalls nicht schlechter als die Besten der Besten.
Mit seiner Spielzeit von 39 Minuten ist „Desolate“ zwar nicht besonders umfangreich, die in dieser Zeit gespielten Noten könnten allerdings gut zehn Alben derselben Länge füllen. Ein Tempolimit scheint es für OPHIDIAN I nicht zu geben. Sowohl John Olgeirssons abgrundtief gegrunzte Growls als auch die zackigen Gitarrenriffs, die hin und wieder hervortretenden Basslines („Storm Aglow“) und das Drumming sind so schnell, wie es gerade eben noch menschenmöglich ist. Die damit unweigerlich einhergehende Brutalität gleichen OPHIDIAN I mit hochtönendem, beinahe durchwegs melodiösem Shredding aus. Vor allem die wunderbar verspielten Gitarrenläufe, die mit ihrer unfehlbaren Akkuratesse beeindrucken, sind aufregend anzuhören.
Vielleicht ist es der fast schon zu perfekten Performance der Band geschuldet, dass die Songs jedoch ein bisschen steif klingen. Raum zum Atmen wie während des tänzelnden Akustik-Intros von „Captive Infinity“ oder im getragenen „Enslaved In A Desolate Swarm“ findet man im Zuge der Platte nur selten. Aus diesem Grund kann man mitunter nur erahnen, was genau OPHIDIAN I in den Tracks eigentlich ausdrücken wollen. Oft bekommt man bei ihrer Musik das Gefühl, dass die Isländer es einfach nur darauf anlegen, ihre Fertigkeiten auszureizen und zur Schau zu stellen.
Produktionstechnisch ist „Desolate“ nicht richtungsweisend, es entspricht aber dem im Tech-Death-Genre etablierten Standard. Das Album klingt demnach glasklar aufpoliert und ein bisschen zu steril, was zur verkopften Natur der Songs passt, aber sicherlich nicht jedem Ohrenpaar gefällt.
Ihrer hohen Ambition, die neue Nummer eins im Technical Death Metal zu werden, sind OPHIDIAN I auf dem Nachfolger ihres Debüts „Solvet Saeclum“ (2012) nicht ganz gerecht geworden. Weder revolutionieren die Isländer die Stilrichtung, noch machen sie im Zuge des Albums etwas signifikant anders oder besser als vergleichbare Bands. Mit ihrer aberwitzig rasanten und präzisen Instrumentierung spielen OPHIDIAN I zwar in der obersten Liga, ansonsten unterscheidet die Platte sich mit ihrem künstlichen, kantigen Sound und ihren straff durchexerzierten Arrangements nicht wesentlich von anderen Veröffentlichungen des Genres. Obwohl die auf „Desolate“ demonstrierte Fingerfertigkeit erstaunlich ist, fühlt man sich von OPHIDIAN I darauf doch nicht ganz so ergriffen wie etwa von Fallujah oder The Faceless in ihren stärksten Momenten.
Wertung: 7 / 10