Review Opeth – Sorceress

An die OPETH-Kritiker unter euch: Hand aufs Herz, haben die schwedischen Prog-Metaller jemals ein wirklich schlechtes Album veröffentlicht? Dass die Fangemeinde spätestens seit dem entdeathmetallisierten „Heritage“ gespalten ist, liegt jedenfalls bestimmt nicht daran, dass OPETH ohne Growls und fette Riffs nicht funktionieren, immerhin zählt das sogar noch ruhigere „Damnation“ zu den umjubelten Klassikern der Band. Vielmehr scheint es daran zu liegen, dass ihrer Musik etwas von der mystischen, melancholischen und geheimnisvollen Atmosphäre abhanden gekommen war, die – um nur ein Beispiel zu nennen – „Still Life“ zu so einem Meisterwerk werden ließ.

Natürlich kehren OPETH auch auf ihrer neuen Platte „Sorceress“, die erstmals auf Nuclear Blast veröffentlicht wird, nicht zu ihren Death-Metal-Wurzeln zurück, das schwedische Quintett geht konsequent den auf „Heritage“ eingeschlagenen Weg weiter. Dennoch könnte das mittlerweile zwölfte OPETH-Full-Length später als eines ihrer besseren Prog-Alben in Erinnerung bleiben, denn das malerische, düstere Artwork von „Sorceress“ verspricht in puncto Atmosphäre nicht zu viel. Bereits das wunderbar melancholische Akustik-Intro „Persephone“ zieht den Hörer sogleich in seinen Bann. Im darauffolgenden Titeltrack frönen OPETH dann ungeniert dem Okkultismus, angefangen beim eigentümlichen, an die Soundtracks alter Retro-Dungeon-Videospiele erinnernden Intro über rhythmische, stampfende Gitarren bis hin zu einem langgezogenen, unheimlichen Solo. Auch die inzwischen über jeden Zweifel erhabenen Cleans von Mastermind Åkerfeldt tragen zur mysteriösen Stimmung des Tracks bei.
Das abgehackt stampfende und in weiterer Folge schmeichelnd ruhige „The Wilde Flowers“ versprüht ebenfalls eine leicht geheimnisvolle Aura. Doch OPETH wären nicht OPETH, wenn sie nicht auch auf ein paar Tracks die E-Gitarren liegen lassen und die Akustikgitarren auspacken würden. So schlagen die Schweden in „Will O The Wisp“ unerwartet sonnige Töne an und geben ein stimmungsvolles Jazz-Solo zum besten, das tatsächlich an ihre großartigen Balladen wie „Harvest“ oder „Benighted“ erinnert.
Auf „Sorceress 2“ wirken die akustischen Gitarren in Verbindung mit den untypisch hohen Gesängen eher nebulös und in „The Seventh Sojourn“ entführen OPETH den Hörer musikalisch in den Orient. Ansonsten wurde der Härtegrad gegenüber den letzten zwei Platten sogar wieder eine Spur angehoben. Bestes Beispiel dafür sind das vergleichsweise geradlinige „Chrysalis“, auf dem man einem rasanten, abgedrehten Keyboard-und-Gitarren-Solo lauschen kann, sowie das eigenartig abgehackte „Era“, an dessen Rhythmusspielereien man sich erst mal etwas gewöhnen muss, die den Track letztlich aber umso interessanter machen.

Bei „Sorceress“ handelt es sich nicht um ein Konzeptalbum und das hört man auch, denn die Songs stehen stilistisch weitgehend für sich. Was sie jedoch gemeinsam haben, ist ein Funke des früheren Zaubers von OPETH und ein hohes Maß an Spielfreude und Abwechslung. Waren die beiden Vorgänger zwar technisch einwandfrei, aber nur wenig mitreißend, findet man auf „Sorceress“ nun wieder mehr Songs, die im Kopf bleiben und die geheimnisvolle Stimmung erzeugen, die auf einem guten OPETH-Album nicht fehlen darf. Wer also kein neues „Blackwater Park“ erwartet, kann sich an dem neuen Werk der Schweden durchaus erfreuen, auch wenn das Album im späteren Verlauf etwas sperriger wird.

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Wertung: 8 / 10

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3 Kommentare zu “Opeth – Sorceress

  1. Ebenso. Mich haben „Heritage“ und über weite Teile „Pale Communion“ auch recht kalt gelassen. Klar, alles gut gemacht und so, aber da kam bei mir einfach nichts an. Obwohl, wie Stephan bereits schrieb, auch „Sorceress“ den Stil fortführt, macht es das um ein Vielfaches besser und kommt qualitativ deutlich näher an ihre großen Werke heran. Es lohnt sich wirklich, reinzuhören! Die zweite Hälfte des Albums ist allerdings besser als die erste, also man muss etwas Geduld haben.

  2. Drückmops, ich stimme dir mit voller Inbrunst zu! Dennoch: Diese Platte schafft es endlich wieder, mich zu beeindrucken – etwas, was ich nach den letzten beiden Alben nicht mehr für möglich gehalten hätte.

  3. Åkerfeld, ein extrem begnadeter Musiker hat seit Heritage der eigenen Bandhistorie den Kampf angesagt, machen wir uns nichts vor.
    Konsequent nur insoweit, dass sich heute um reinen und modernen Progrock handelt mit vielen Reminiszenzen an die 70er. So weit so gut. Tolles Album.
    Aber auch dieses Album wird mich nicht erreichen, es wird auch keiner der früheren Grower. Ich werde es bestimmt ab und zu hören, aber nicht in Heavy Rotation.
    Die Trademarks von Opeth sind anders und jede Band hat das Recht sich zu verändern. Da muss man aber nicht mitgehen.
    Schade, denn Opeth haben die Qualität Death Metal mit progressivem Einschlag perfekt zu inszenieren und weiter zu entwickeln. Allerdings möchte ich die fetten Riffs dabei nicht suchen müssen. 7 Punkte von mir für den Progrock.

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