Review Opeth – In Cauda Venenum

Über zehn Jahre und drei Alben ist es her, dass Mikael Åkerfeldt, der sympathisch-kauzige Frontmann von OPETH, zuletzt seine markerschütternderen Growls auf Platte erklingen ließ. Seitdem musste sich die Band immer wieder die Frage gefallen lassen, aus welchem Grund sie dem Death Metal auf „Heritage“ eine so abrupte Absage erteilt hatte. Denn so überzeugt OPETH von ihrer Hinwendung zum Progressive Metal auch waren, an die Größe ihrer Meisterwerke wie „Still Life“ konnten die Schweden seitdem einfach nicht mehr anknüpfen. Die einstige Prog-Death-Truppe setzte ihren Weg dennoch unbeirrt fort und tatsächlich war von Album zu Album ein leichter, kreativer Aufwärtstrend zu bemerken. Mit „In Cauda Venenum“ beweisen Åkerfeldt und seine Bandkollegen nun einmal mehr, dass man bei OPETH selbst jetzt noch das Unerwartete erwarten sollte, denn es handelt sich dabei um ihre erste gänzlich auf Schwedisch eingesungene Platte.

Für eine international renommierte Band mag dies grundsätzlich ein halbwegs gewagter Schritt sein, doch OPETH haben für alle Fälle vorgesorgt: Dem eigentlichen Album liegt auch eine Version mit englischsprachigem Gesang bei – ob aus Rücksichtnahme auf die ausländischen Fans oder um bezüglich der Verkaufszahlen kein Risiko einzugehen, sei dahingestellt, tut im Hinblick auf die Qualität des Albums jedoch ohnehin wenig zur Sache. Dem Flow der Platte nach zu urteilen, ist die schwedische Fassung jedenfalls eindeutig die primär anzuhörende, da Åkerfeldts vielseitigen, freilich nach wie vor nicht gutturalen und diesmal mitunter sogar überraschend hohen Vocals hier etwas ungezwungener klingen als in der Übersetzung.

Flow ist indes ein gutes Stichwort, denn dieser ist auf „In Cauda Venenum“ vereinzelt etwas störrisch. So tauchen etwa die zarten Akustikpassagen, für die OPETH seit ihren Frühwerken bekannt sind, in den Songs bisweilen wie aus dem Nichts auf. Dass die Platte nicht immer ganz flüssig verläuft, rührt jedoch auch daher, dass die Schweden diesmal überraschend oft von ihrer selbstgesetzten Norm abweichen. Beispielhaft sind etwa die gelegentlichen Spoken-Word-Samples und Electro-Sounds sowie die ominösen Chöre und Orgeln zu nennen, die von der Truppe immer wieder eingeworfen werden.

Zwischen verhältnismäßig geradlinigen, fetzigen Prog-Metal-Krachern wie „Hjärtat Vet Vad Handen Gör“ finden sich auch unvorhersehbarere Nummern wie „Banemannen“, das mit grazilen Flamenco-Gitarren beginnt und in einem herrlich verspielten Jazz-Part endet, die schwermütige Piano-Ballade „Minnets Yta“ oder das wie der Auftritt eines Musical-Bösewichts klingende „De Närmast Sörjande“. Die pompösen Streicherarrangements, die OPETH insbesondere in letzterem Track einbinden, ziehen sich übrigens praktisch durch das gesamte Album, weshalb das Quintett darauf theatralischer als je zuvor in Erscheinung tritt – mehr Dream Theater, weniger Porcupine Tree, sozusagen. Wobei sich das geschmeidige „Ingen Sanning Är Allas“ eigentlich auch gut in Steven Wilsons umfangreichem Backkatalog machen würde.

Was „1755“ für die portugiesischen Gothic-Metaller Moonspell war, ist für OPETH nunmehr offenbar „In Cauda Venenum“. Das von Åkerfeldt in völliger Abgeschiedenheit mit dem Ziel, elaboriertere Songs zu schreiben, komponierte Album macht vor allem durch seine Texte in Landessprache und seinen grandioseren Sound auf sich aufmerksam, punktet aber auch in Sachen Abwechslung. Nie hörte man die Schweden launig-jazziger als auf „Banemannen“ und auch schon lang nicht mehr so imposant wie auf dem mächtig getragenen „Allting Tar Slut“, um nur ein paar Highlights der stilistisch breit gefächerten Platte zu nennen. Dass OPETH dabei zum Teil ein bisschen zu sprunghaft agieren, mag dem Album einen zukünftigen Klassikerstatus in der Banddiskographie verwehren, neben den bisherigen „reinen“ Prog-Werken der Skandinavier macht „In Cauda Venenum“ jedoch eine bemerkenswert gute Figur.

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Wertung: 8 / 10

Publiziert am von Stephan Rajchl

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