Unter einem wolkenverhangenen Himmel blickt eine gehörnte Gestalt in majestätischer Übermacht auf uns herab. Es handelt sich um einen Oni, einen gestaltwandelnden Dämon der japanischen Mythologie. Ebendiesen unliebsamen Gesellen haben sich die kanadischen Newcomer ONI nämlich zum Namenspatron gewählt. Wer nun denkt, ihr Debüt „Ironshore“ sei musikalisch an Whispereds Samurai Metal angelehnt, der irrt sich gewaltig, denn ONI spielen darauf gänzlich unjapanischen Djent bzw. Prog-Death. Irgendetwas Besonderes müssen die sechs Kanadier (die auf dem Album nur zu fünft sind) jedoch an sich haben, wenn sie schon ihr erstes Album über ein großes Label wie Metal Blade veröffentlichen dürfen.
Tatsächlich springt uns dieses Besondere gleich in den ersten rasanten Tönen des Openers „Barn Burner“ entgegen: ONI setzen neben ihren Metal-typischen Instrumenten nicht etwa ein Keyboard, sondern einen sogenannten Xylosynth ein, eine Mischform aus Xylophon und Synthesizer. Der spacige Sound dieses ungewöhnlichen Instruments passt zu den spielerisch höchst anspruchsvollen Gitarrenriffs und Drum-Patterns erfreulicherweise wie die Faust aufs Auge. Gerade wenn Xylosynthist (?) Johnny DeAngelis das Spotlight für sich hat, beweist er beeindruckendes technisches Können, so zum Beispiel im zwischen Gitarre und Xylosynth hin und her wechselnden Solo in „Chasing Ecstasy“.
Doch auch die übrigen Bandmitglieder dürfen sich für ihr Spiel größtenteils auf die Schultern klopfen. Die vorherrschenden aggressiven Screams klingen recht gut, wenn auch nicht so gelungen wie die gelegentlichen Growls, an den Gitarren überzeugen ONI durch verspielte, luftig leichte Frickeleien, aber auch brutale, bisweilen sogar recht einfallsreiche Breakdowns. Vor allem in den weniger harten Passagen freut man sich über kreative Bassspielereien, während Drummer Joe Greulich gerade in den brachialen Momenten zeigt, was er drauf hat. Obwohl also jeder in der Band sein Instrument perfekt beherrscht, überfordern ONI zu keiner Zeit, sondern achten in ihren Songs stets auf den Flow, sodass selbst der elfminütige Longtrack „The Science“ nicht minder spannend ist als die übrigen mittellangen Tracks.
Nach all dem Lob muss jedoch leider auf einige Dinge hingewiesen werden, bezüglich derer ONI noch Verbesserungsbedarf vorweisen. Auf den viel zu glatten, austauschbaren Klargesang sowie einige stumpfe Core-Rhythmuseskapaden wie gegen Ende von „The Science“ sollten die Prog-Deathcoreler in Zukunft nämlich lieber ganz verzichten, da sie hier nur störend dazwischenfunken. Vor allem die schwachen Cleans stehen dem Hörgenuss viel zu oft im Weg, die rein gescreamten Tracks „The Only Cure“ und „Spawn And Feed“ funktionieren eindeutig besser. Auch die übertrieben sterile Produktion ist ein kleiner Wermutstropfen.
Insgesamt überwiegen bei ONI die positiven Aspekte und allein schon ob ihrer Fähigkeiten als Musiker möchte man die Kanadier beglückwünschen. „Ironshore“ ist voll von spielerischen Glanzleistungen und der Xylosynth fügt der Musik eine außergewöhnliche Note bei. Allerdings fallen die Cleans, manche der typischen Core-Elemente und die Produktion zu sehr negativ ins Gewicht, als dass man die Platte guten Gewissens als Meisterwerk bezeichnen könnte. Ganz abgesehen davon, dass sich ONI mit ihrem Namen und dem Artwork eher irreführend präsentieren. An sich hat man es hier jedoch mit interessanten Newcomern zu tun.
Wertung: 6.5 / 10