Die Geschichte von ON THORNS I LAY ist in vielerlei Hinsicht die Geschichte einer typischen Underground-Metal-Band: Nach stilistisch abenteuerlichen, aber unausgereiften Experimenten mit grazilem Death/Doom auf ihren Frühwerken kam mit „Crystal Tears“ (1999) die Hinwendung zu einem eher massentauglichen Gothic-Rock-Sound, ehe die Band, ohne jemals den Durchbruch geschafft zu haben, die Waffen streckte. Nach zwölf Jahren ohne neuem Release meldeten sich die Griechen mit „Eternal Silence“ (2015) zurück. „Aegean Sorrow“ (2018) konnte dann schließlich als zweites Comeback verstanden werden, wandten sich ON THORNS I LAY darauf doch wieder dem Death/Doom ihrer Anfangstage zu – wenngleich auf konventionellere Weise. Auf „Threnos“ geht die Band diesen Weg konsequent weiter.
Schon der Albumtitel, der im antiken Griechenland eine rituelle Totenklage bezeichnete, gibt die stilistische Ausrichtung der LP kund. Wie bereits auf der Vorgängerplatte spielen ON THORNS I LAY hier melodischen Death Metal in bedrückendem Zeitlupentempo und versuchen dabei gar nicht erst, sich die filigrane Eleganz, die sie auf „Sounds Of Beautiful Experience“ (1995) mit mäßigem Erfolg in ihren Sound zu integrieren versuchten, zu eigen zu machen. Anstelle seiner eindimensionalen Clean-Vocals setzt Sänger Stefanos Kintzoglou ausschließlich machtvolle Growls ein und die weiblichen Stimmbeiträge, die die Gothic-Rock-Platten der Band noch entscheidend geprägt haben, beschränken sich nunmehr auf einige trübsinnige Spoken-Word-Parts.
Auch an den Instrumenten stellen ON THORNS I LAY Altbewährtes über Innovation: Sowohl die bemerkenswert unheilvollen Leadgitarren („Misos“) als auch die überwiegend getragenen Drums, die das Sextett seinem neunten Album zugrunde legt, gehören nach dem allgemeinen Verständnis des Genres zur Death/Doom-Grundausstattung. Davon abgesehen, dass die Band diese weithin gebräuchlichen Stilmittel auf einfallsreiche und sogar spannende Weise arrangiert, zeigt sie sich auf „Threnos“ doch wieder um einiges wagemutiger als zuletzt auf „Aegean Sorrow“.
So kommen im Verlauf des Albums zusätzlich triste Geigen im Stil von My Dying Bride, geschmackvolles Klavierspiel, unheimliche Keyboards („Cosmic Silence“) und verschrobene Orgeln („Erynies“) zum Einsatz, wodurch sich die einzelnen Songs klar voneinander abheben und immer wieder aufhorchen lassen. Dass die Platte dank Dan Swanös Mixing und Mastering wunderbar rund und kraftvoll klingt und sich mit ihrer Laufzeit von 45 Minuten nicht unnötig in die Länge zieht, sorgt schlussendlich dafür, dass ON THORNS I LAY all ihre Stärken vollends ausspielen können.
Im Grunde genommen machen ON THORNS I LAY auf „Threnos“ nichts anders als schon viele Bands vor ihnen. Sogar die ungewöhnlicheren Aspekte des Albums sollten eigentlich von niemandem, der sich im Death/Doom bereits ein bisschen umgehört hat, als bahnbrechend wahrgenommen werden. Dennoch zeigen sich ON THORNS I LAY im Umgang mit ihrem musikalischen Repertoire derart versiert, dass der Mangel an Neuerungen nicht im Geringsten negativ auffällt. Nachdem ON THORNS I LAY in der Vergangenheit bei ihren Versuchen, einen einzigartigen Stil zu entwickeln, über ihre eigenen Füße gestolpert sind, und später mitunter zu generisches Material vorgelegt haben, hat die Gruppe auf „Threnos“ einen hervorragenden Mittelweg gefunden und somit ein voll und ganz gelungenes, kraft- und stimmungsvolles Album kreiert, das jedem Death/Doom-Fan gefallen sollte.
Wertung: 8 / 10