Nachdem mir auf einem Konzert der in den Niederlanden beheimateten Multi-Kulti-Truppe OMNIA einige Songs ihres neuen Albums „Wolf Love“ zu Ohren kamen, war mein Misstrauen gegenüber der neuen Scheibe enorm groß. Bereits bei diesem Gig zeichnete sich ab, dass die Musiker einen völlig neuen, sehr poppigen Weg beschritten haben. Umso größer war meine Überraschung, also ich mir „Wolf Love“ ausführlich zu Gemüte geführt hatte. Bei den 16 Tracks handelt es sich um eine bunte Mixtur aus gesellschaftskritischen, psychisch gesehen etwas bedenklichen und vom Lebensstil der Blumenkinder inspirierten Texten, kombiniert mit wunderschön verträumten, orientalischen oder aber traurig-deprimierenden Melodien.
Als neues Mitglied in der bereits großen Instrumentenfamilie Omnias darf ein Klavier bzw. Flügel begrüßt werden, welches einen nicht zu verachtenden Part übernimmt: sowohl anteilsmäßig an den einzelnen Songs wie auch stimmungsbezogen gesehen. Durch die Dramatik, die Jenny gekonnt mit ihrem Piano vermittelt, eröffnen die Songs ganz neue Dimensionen der Theatralik. Besonders deutlich wird dies in „Taranis-Jupiter“, welches dem Gott der Himmelsgewalten gewidmet ist. Ohne sich mit dem Text beschäftigt zu haben, weiß der Hörer sofort: SO klingt ein musikalisch vertontes Gewitter, das Wetter, in dem das Stück auch seinen Ursprung gefunden hat.
Auffällig ist, dass die Pagan Folk-Gruppe in ihren Songs sehr viele von ihnen erlebte Situationen und besondere Momente verarbeitet hat. Dazu zählt auch das autobiographisch angehauchte „Cornwall“, in dem Sic seine Kindheit verbracht hat. Das ruhige, beinahe melancholische Stück fängt die vorherrschende Stimmung dort wunderbar im Stile eines keltischen Traditionals ein. Aber auch das letzte Lied „Sing for Love“ entstand in einem für die Musiker bedeutenden Moment und versetzt den Hörer direkt in die verschneite Blockhütte mitten im Wald, in der Sic und Jenny erkannt haben, dass die Musik ihr Lebensweg ist. Doch auch für die Nicht-Anwesenden ist dieses Stück zum Träumen geeignet und um sich vom Zauber eines Lagerfeuers entführen zu lassen. Beinahe unmöglich zu beschreiben ist die Genialität, mit der die Atmosphäre der jeweiligen Songs ausgedrückt wird. So wird der Wahnsinn hinter „Toys in the attic“ mehr als deutlich und auch die Traurigkeit des Liedes „Wheel of Time“ wird einem direkt über das Ohr ins Herz injiziert.
Ganz muss der eingefleischte Omnia-Fan aber nicht auf bereits vertraute Rhythmen und Klänge verzichten. Nach der Einführung mit dem sehr vorsichtigen Morgengruß „Wake up“, der den Geweckten ermutigt, diese schöne Welt zu erkunden und dabei ein paar Bäume zu knuddeln (ja, steht tatsächlich so im Songtext), wird der Hörer langsam aber sicher auf das kommende Neue vorbereitet. Den Einstieg macht hier „Dance until we die“. Was im ersten Moment äußerst befremdlich und unpassend anmutet, entwickelt sich schnell zu einem echten Geniestreich: Sic versucht sich im mit Harfenklängen und weiteren Instrumenten unterlegten Sprechgesang. Mit Erfolg! Das Rappen ist hier ein Mittel zum Ausdruck der Aggression, den das sechsköpfige Ensemble gegenüber der von Geld, Oberflächlichkeit und Manipulation geprägten Gesellschaft hegt und ist gleichzeitig ein Aufruf zum Aufbäumen gegen die dadurch entstehende Unterdrückung.
Es folgen „Jabberwocky“, ein Stück, welches sich auch nahtlos in das „Alive“-Album eingefügt hätte, und der Lebenstanz „Saltatio Vita“, der seinen Namen zu Recht trägt. Denn die zugegebenermaßen teilweise aus einem anderen Omnia-Stück namens „Sidhenearlahi set“ übernommene Melodiefolge wurdd dermaßen ekstatisch arrangiert, dass man die Nymphen und Dryaden beinahe vor sich tanzen sehen kann. Apropos Ekstase: auch „Shamaniac“ lässt die in Trance verfallenen, ums Feuer tanzenden Indianer im eigenen Wohnzimmer erscheinen.
Neben dem allerersten Cover-Song Omnias namens „Teachers“ von Leonard Cohen sind noch die beiden Hippie-Songs erwähnenswert. Das Lied mit dem bereits sehr aussagekräftigen Titel „Love in the forest“ handelt genau davon und trotz der beinahe schon unangenehm poppigen Komposition nistet sich hier der Ohrwurm unweigerlich ein, was leider beim zweiten Flower-Power-Titel „Sister Sunshine“ nicht der Fall ist.
Zu meinem persönlichen Highlight hat sich neben „Dance until we die“ auch „Moon“ entwickelt. Die Basis bildet hier ein bis dahin noch nicht aufgetauchtes Instrument, nämlich das Hackbrett, welches dem Liebesgedicht zugleich einen leicht orientalischen Touch und eine wunderschöne Verträumtheit verleiht.
Hätte man sich 2-3 schwermütige Stücke gespart, wäre die Balance zwischen Fröhlichkeit und Traurigkeit nahezu perfekt. Man kann behaupten, dass das Klavier, neben den für den Omnia-Sound typischen Instrumenten wie Harfe, Didgeridoo und Co., eine beachtliche Bereicherung für die Grundstimmung ist, unter der die Neuveröffentlichung steht. Auch wenn es für meinen Geschmack einen Tick zu oft den Hauptpart in „Wolf Love“ übernimmt, kann man abschließend guten Gewissens bestätigen, dass das neue Werk von Omnia eine gelungene Abwechslung zu den vorherigen Silberlingen ist und meine anfangs vorherrschende Skepsis glücklicherweise nicht gerechtfertigt war. Abwechslung beinhaltet jedoch auch, dass der neue Stil nicht unbedingt zum Standart für die folgenden Werke der Band werden sollte.
Wertung: 7.5 / 10