Schon von den ersten Klängen von „Written in Flesh“ merkt man, dass man es hier mit keinem Newcomer zu tun haben kann. Und tatsächlich, im Herbst 1993 wurde Odium bereits gegründet. Wo haben die sich nur so lange vor mir versteckt? „Written in Flesh“ ist nun schon ihr inzwischen viertes Klangdokument, aufgenommen im August und September 2003. schon die optische Erscheinung dieses 46-minütigen Heavy Metal Knallers macht ordentlich was her, hier kann mal wieder der abgedroschene Spruch verwendet werden, dass man diesen Release kaum von dem einer Label-Veröffentlichung unterscheiden kann.
Da der Oberbegriff Heavy Metal heutzutage doch, äh, „etwas“ differenzierter ist als früher noch, muss ich gleich sagen, dass hier viele verschiedene Stilelemente Einzug halten. Klar, das Grundgerüst besteht aus kernigen und harten Heavy Metal Riffs, die zu Großen Teilen nach amerikanisch geprägtem Heavy/Power Metal klingen. Viele thrashige Elemente wurden ebenso verwendet wie häufige Doom-Einsprengsel, was das Material sehr abwechslungsreich macht. Auch die Stimme des Sängers ist hier ein großer Pluspunkt. Wer Eunuchengequietsche nicht ab kann, der darf sich freuen und mit Odium anfreunden. Der Herr namens Reinhard Runkel hat eine überraschend eigenständige Stimme, die mir oft wie eine Mischung aus Tim Owens und Chuck Billy klingt. Doch wenn ich hier Tim Ownes sage, meine ich nur dessen positive Gesangsfähigkeiten, nämlich die eher tieferen und kräftigeren Vocals. Im Gegensatz zum Neu-Iced-Earth-Frontner legt R.R. dafür aber auch ne Menge Emotionen rein.
Die Emotionen sind vor allem in meinem Lieblingssong hier – „Paperhouse“ – nahezu greifbar. Hier wird durch Gitarrenarbeit und den Gesang eine tolle Stimmung erzeugt, wie es in dieser Stilrichtung nur selten passiert, außer wenn man es mit einer offensichtlichen Ballade zu tun hat. Hier jedoch sind die Gitarren durchgehend hart, und eine Ballade findet man die gesamte Spielzeit über nicht.
Dafür gibt’s ne Menge Stoff zum headbangen, so zum Beispiel auch der folgende Titeltrack „Written in Flesh“. Bevor der Bassist am Anfang des Stücks in Coolness erstickt, kommt ein recht überraschender Break und R.R. packt die ganz böse, aggressive und thrashige Variante seiner Stimme aus, bevor er wieder in die klaren Sphären wechselt und sich der nun von thrashiger zu doomiger Melodie anpasst – klasse und voller Überraschungen, dieser Song!
Bei den beiden Songs „All Is Bleeding“ und „Bé:orscope“ kommen mir instrumental gesehen gleich Rage und Testament in den Sinn, doch Odium behalten hier immer eine gute Portion Eigenständigkeit. Unweigerlich an Nevermore’s „Enemies of Reality“-Platte werde ich aber bei „Memories Of A Trip Come Home“ und dem abschließenden „The Trip Returns“ erinnert – zwei seltsame Stücke, die vor psychopatischer und verstörter Atmosphäre nur so strotzen und überraschend gut ins Gesamtbild passen.
Das Songmaterial ist durchgehend stark, hier gibt’s keinen Durchhänger. Dafür gibt’s viele gute Melodien mit hohem Wiedererkennungswert und als I-Tüpfelchen einen hochklassigen Metal-Sänger. Langweilig wird’s hier nicht, dafür sorgt die Abwechslung zwischen und in den Tracks, die nicht nur zum Haareschütteln, sondern auch zum Mitsingen anregen. Die Produktion der im LFT-Studio aufgenommenen Scheibe ist auch sehr überzeugend.
Mit Bands wie Odium braucht sich also auch der traditionellere Stahlkocher nicht um den metallischen Nachwuchs der Teutonenschmiede sorgen. Daumen hoch! Man darf gespannt auf weitere Heldentaten sein, denn hier sehe ich noch mehr Potential.
10 Euro sind bei info@odium-metal.de oder www.odium-metal.de bestens investiert.
Wertung: 8 / 10