Traditioneller, nordischer, bisweilen sogar ritualistischer Folk erfreut sich schon seit einigen Jahren wachsender Beliebtheit. Bands wie Wardruna oder Heilung, die ihre Instrumente selbst herstellen und damit alte Volkssagen untermalen, sprechen mit ihrer urtümlichen Musik immer mehr Leute an – schon längst auch außerhalb ihrer Herkunftsländer. Mit ihrem traditionell sibirischen „Kargyraa“-Gesang dürften NYTT LAND hingegen zu den gewöhnungsbedürftigsten Vertretern dieser Stilrichtung zählen. Schon seit 2013 ist das Quartett aktiv, das nur ein Jahr nach „Fimbulvinter“ bereits den Nachfolger „Odal“ nachlegt. Inhaltlich befassen sich NYTT LAND auf ihrer fünften Platte, die musikalisch ausgereifter sein soll, mit Themen wie Herkunft und Abstammung.
Fortschritte wollen NYTT LAND sowohl hinsichtlich der Produktion als auch in Bezug auf die Musik selbst gemacht haben, die diesmal frei von Samples und komplett live eingespielt worden sein soll. Tatsächlich überzeugt „Odal“ mit seinem organischen Sound, in dem Instrumente und Gesang gleichermaßen Beachtung finden. Dennoch stehen die Vocals im Aufbau der Stücke ganz eindeutig im Vordergrund. Angefangen bei martialischen „Uh-Ah“-Rufen, die ebenso gut der Kehle eines schwerstarbeitenden Ruderers entsprungen sein könnten, erzeugen die Sänger von NYTT LAND mit ihren Stimmbändern im Zuge der knapp einstündigen Platte die unterschiedlichsten fremdartigen Töne.
Die Hauptrolle spielt dabei ein ungewöhnlicher, weiblicher Schamanen-Singsang, aber auch monotoner Kehlkopfgesang und erzählerische Spoken-Word-Parts werden herangezogen, um die nordisch inspirierten Texte zum Leben zu erwecken. Oftmals werden jedoch gar keine Worte artikuliert, sondern schlicht beschwörende Melodien gesungen, was die ohnehin schon rätselhafte Natur der Musik noch unergründlicher erscheinen lässt. Für an moderne Songstrukturen gewöhnte Hörer dürfte die Instrumentalisierung hingegen eher zugänglich sein.
Trommeln, Schellen und raschelnde Perkussionen bilden das rhythmische Grundgerüst, um die sich mit allerlei altertümlichen Blas- und Streichinstrumenten vertonte Arrangements ranken. Nahezu alles greift hier stimmig ineinander, lediglich auf die eher gekünstelten Keyboards in „Völuspá“ hätten NYTT LAND lieber verzichten sollen. Obwohl die Folk-Truppe mit „Odal“ somit alles in allem eine konsistente, gekonnt umgesetzte Platte auf die Beine gestellt hat, bleibt die Begeisterung aufgrund der allzu simplen, eintönigen und kaum jemals packenden Musikstücke letztlich doch aus.
Dass sich NYTT LAND bei der Wahl ihrer musikalischen Ausdrucksform nicht nach Trends richten und auch nicht davor zurückschrecken, mit ihrem rituell anmutenden Liedgut sogar Fans von The Moon And The Nightspirit oder Wardruna vor den Kopf zu stoßen, ist durchaus bemerkenswert. Wer allerdings der skandinavischen Sprachen nicht mächtig ist und auch sonst keinen direkten Bezug zu dem besungenen Themenkreis hat, wird „Odal“ wohl nicht mit Faszination, sondern allenfalls distanzierter Anerkennung begegnen. Trotz aller Authentizität und Abwechslung gibt es darauf leider kaum eine Passage, die ebenso zu überwältigen vermag, wie es den bekannteren Vertretern des Genres gelingt.
Wertung: 4.5 / 10