Als Tolkien- und Black-Metal-Fan denkt man bei einem Bandnamen wie NUMENOREAN wohl erst mal an das gleichnamige, in der fiktiven Welt Mittelerde angesiedelte Menschengeschlecht und sukzessive an Epic-Black-Metal-Bands wie Summoning. Mit dem Keyboard-dominierten Stil der österreichischen Genre-Vorreiter haben NUMENOREAN aus Kanada jedoch nicht das Geringste zu tun. Um „Adore“, dem zweiten Album des Quintetts, etwas abgewinnen zu können, sollte man vielmehr dem gleichermaßen bedrückenden wie hoffnungsvollen Post-Black-Metal von Deafheaven und Ghost Bath zugeneigt sein. Wer dies von sich behaupten kann, wird vermutlich auch an „Adore“ Gefallen finden.
Nicht unähnlich der Herangehensweise von Deafheaven auf ihrer Vorzeigeplatte „Sunbather“ wechseln NUMENOREAN kurze, melancholische Clean-Gitarren-Zwischenspiele („And Nothing Was The Same“) mit ausgedehnten, intensiven Black-Metal-Nummern („Adore“) ab, wodurch ein breites Spektrum an Emotionen vermittelt wird. Die Vielfältigkeit der Kompositionen und der Performance ist dabei ein entscheidender Faktor. Mal enden die aus einem Gefühl der Hilflosigkeit heraus tobenden Black-Metal-Tracks in einer Kakophonie aus qualvollen Schreien („Portrait Of Pieces“), mal entwickeln die Stücke eine schnittige Dynamik, die ein wenig an Metalcore erinnert.
Ebenjene Assoziation wird nicht bloß durch die kantigen Gitarrenriffs und das druckvolle Schlagzeugspiel, sondern auch durch das teilweise eher nach Hardcore-Shouts klingende Screaming bedingt, wodurch einige Songs an die dänischen Blackgaze-newcomer Møl denken lassen („Horizon“). Am anderen Ende der Härteskala stehen die bereits erwähnten Interludes, die keineswegs als Lückenfüller dienen, sondern ebenfalls allerlei unterschiedliche Stimmungen an den Hörer herantragen. So drücken NUMENOREAN etwa auf dem sehnsuchtsvoll gesungenen „Stay“ völlig andere Empfindungen aus als auf „Alone“, das mit seinen gehauchten Vocals und seinen spröden, reduzierten Gitarren eine klaustrophobe, resignierende Ausstrahlung besitzt.
An Abwechslung und aufrichtiger Emotionalität herrscht auf „Adore“ folglich kein Mangel. Bezüglich Eigenständigkeit und Feinschliff könnten NUMENOREAN allerdings noch ein wenig zulegen. Eine klare Emanzipation von ihren musikalischen Vorbildern lässt hier noch auf sich warten und eine schöner abgerundete, weniger schroffe Produktion hätte noch einiges aus den an sich durchaus hörenswerten Songs herausgeholt.
Mit ihrem zweiten Album haben NUMENOREAN zwar noch nicht ganz zu den führenden Bands ihres Genres aufgeschlossen, zumindest jedoch unter Beweis gestellt, dass sie die eigentümliche Mischung von Zuversicht und Verzweiflung, die für Post-Black-Metal charakteristisch ist, auf überzeugende Weise zu vertonen wissen. „Adore“ bringt zwar nichts fundamental Neues auf den Tisch und hätte noch ein bisschen mehr Fingerspitzengefühl in der Nachbearbeitung vertragen, wartet allerdings mit einigen wirklich schönen, gefühlsgeladenen Melodien auf. Dass selbst die kurzen, einfach gestrickten Lieder wie „Stay“ derart ans Herz gehen, sollte jedenfalls Grund genug sein, um NUMENOREAN und ihrem zweiten Album eine Chance zu geben.
Wertung: 7 / 10