Review Noneuclid – The Crawling Chaos

  • Label: Merciless
  • Veröffentlicht: 2008
  • Spielart: Thrash Metal

Da sich das Debüt der Band NONEUCLID thematisch um das Ende des Universums dreht, möchte ich kurz näher auf dieses Thema eingehen. Wie kann man musikalisch die Zerstörung von Allem darbieten? Fangen wir mal an, darüber nachzudenken, wie man das Universum an sich darstellen kann. Mir kommt hier – wie ein Vorurteil – direkt sehr viel Fläche in den Sinn, weit ausschweifende Melodien, Synthesizer, Streicher und Drums die sich im Nichts verlieren. Doch wenn man dies mit Zerstörung kombinieren will, stößt man schon bald an die Grenzen dieses Konzepts. Endlos schnelle Melodien und Doublebass lässt sich nur schlecht mit dem oben genannten Vereinbaren. Auch textlich scheint es sehr schwer dies zu beschreiben, da das Universum für die Menschen unüberschaubar groß ist. Auf „The crawling chaos“ haben NONEUCLID versucht damit auseinander zusetzten und gute Ansätze gefunden.

Schon beim ersten Song sucht man vergeblich nach den Stereotypen für das Universum; keine Spur von Weite oder gar Streicher. Dafür sehr enge, reisende Gitarren und ein Schlagzeuger kurz vor der Herzattacke. Die Musik hat nicht die geringste Fläche, alles scheint sich in einem winzigen Raum abzuspielen. Sehr einleuchtend, wenn man betrachtet, dass der Weltraum für Menschen schlicht unfassbar ist und man die Weiten ohnehin nicht beschreiben kann. Die Musik ist sehr progressiv geraten – jedoch nicht im üblichen Sinn. NONEUCLID lässt sich eigentlich irgendwo zwischen Thrash und Death einordnen, doch die Songs sind allesamt äußerst kompliziert und schwer zugänglich. Findet man den Eingang, wird man aber lange Spaß mit dieser Zerstörungsorgie haben., denn zumindest die ersten Tracks sind durchweg genial und fesseln auch auf lange Zeit den Hörer.

Bereits auf Track 1, schlicht „Worm“, zeigt die Band, wo der Hammer hängt und bietet technisch perfekte Hochgeschwindigkeitsriffs, zwischen denen man schnell den Überblick verliert. Der Schlagzeuger ist sehr zu bemitleiden; er trommelt was das Zeug hält und liefert extrem anspruchsvolle, hochtechnische Rhythmen, die man selbst heute nur noch selten sieht. Der Gesang ist eine Klasse für sich; mal wahrlich singend, mal kreischend und mal growlend. Man gewöhnt sich zwar nach einer Zeit daran; jedoch ist dieser ständige Wechsel zu Anfangs extremst nervig – was soll’s. Zudem sind die Songs durchzogen von Breaks und Interludes, welche das Ganze etwas progressiver aber auch interessanter gestallten. Vor allem die Refrains stehen im krassen Gegensatz dazu und sind sehr eingängig, da man sich immer darauf beschränkt hat, für den dominierenden Gesang nur sehr simple Rythmen zu verwenden, die sich fest in das Gedächtnis einbrennen. Alle Songs sind bis ans äußerste durchgeplant, jede Dissonanz löst sich konzeptionell auf und ist durchaus gewollt, was man nach einiger Zeit erkennt; nur so kann die Band diese schwere Stimmung kreieren. Die Musik ist konstant sehr gut, wird aber mit der Zeit immer progressiver. Kann man den Opener „Worm“ noch sehr einfach in Verse-Chorus-Bridge-Interlude einteilen, wird das mit „The Digital Diaspora“ schon wesentlich schwerer und bei „Coming In Tongues“ fast unmöglich. Es mischen sich zum Teil sogar akustische Gitarren unter die Schwermetall-Mauer, die man oft erst nach einigen Hördurchgängen heraushört. Die Lieder sind insgesamt in ihrer Wirkung kaum zu überbieten; vor allem in den Refrains spürt man die entfesselte, pure Kraft der Musik, die alles in kleine Teile zusägen vermag.

Kurz anmerken möchte ich noch, dass NONEUCLID hier einmal den selben Fehler begangen haben, wie ihn auch Meshuggah früher oft machte. Nach „The Digital Diaspora“ findet man eine wunderschöne Flamenco-Passage, ähnlich den Gitarrenjams nach Meshuggah-Songs. Die Passage ist an und für sich perfekt und wunderschön, was man durchaus würdigen muss, da Flamenco eines der Schwerstersten Gitarrengenres ist. Würde ich dieses Intermezzo auf einer Mexico-CD o.Ä. finden, würde ich auf Anhieb die Höchstpunktzahl vergeben, doch hier zerstört diese durch ihre fröhlichen Melodien schlicht und einfach die apokalyptische Stimmung und ist sehr störend. Schade, allerdings kein schwerwiegender Fehler.

Nun gut, die Songs steigern sich so in ihrer Komplexität bis zum 5. Song „Xenoglossy“, der die Klimax des Werkes darstellen soll. Der Track hat nichts mehr mit den Vorgängern zu tun und ist in einer unbestimmten Ecke zwischen Ambient und Industrial anzusiedeln und man macht keinen Gebrauch mehr von den typischen Instrumenten, setzt dafür aber auf Lärm und drückende Synthesizer. Das ganze mag ja ganz nett erscheinen, allerdings kommt in dem Song gar keine „Universum-Kaputt“ Stimmung auf, stattdessen schaffen es die 5 Minuten, dass man gelangweilt mit dem „Skip“-Button liebäugelt und danach erleichtert aufatmet. Mal abgesehen von der ungünstigen Position des „Optimums“ in der Mitte der CD wäre ein Metal Song als Höhepunkt eine viel bessere Wahl gewesen. Man hätte ja auch dort die dumpfen Synthesizer des Tracks einfliesen lassen können; selbst „Void Bitch“ wäre ein passenderer Gipfel gewesen. Ich kann dem Lied selbst als Hörer, der dem Ambient nicht abgeneigt ist, leider überhaupt nichts abgewinnen. Der Höhepunkt ist eigentlich eine der größten Schwachstellen der CD

Danach folgen noch die beiden Songs „Time Reaper“ und „Murder Of Worlds“. Ersterer hängt durch anfänglichen Lärm und Synth-Reste direkt mit „Xenoglossy“ zusammen und schafft es leider trotz Metal-Charakteristik nicht an die genialen ersten Tracks heranzukommen; die Einfachheit im Refrain und die technischen, todbringenden Gitarren fehlen dort komplett. Der Tracks dümpelt leider bis zum Ende vor sich hin und kann keinerlei Stimmung entwickeln. Der Rausschmeißer „Murder Of Worlds“ bietet dann noch mal einige Besonderheiten, schafft es jedoch nicht Zerstörungsorgien à la „The Digital Diaspora“ zu kreieren. NONEUCLID hat sich hier stark vom Doom beeinflussen lassen und bildet hier zusammen mit Noise-Anleihen von „Xenoglossy“ eine sehr bedrohliche Atmosphäre. Man spürt geradezu wie der „Murder Of Worlds“ langsam auf uns zukommt und man wartet darauf, dass dieser noch mal mit dem Schwermetal der ersten Albumhälfte das Universum vollständig zerschreddert. Doch das – durchaus interessante – Stück endet wie es angefangen hat und lässt den leicht enttäuschten Hörer mit einigen Schlussgedanken zurück: Warum nicht noch ein Metal Stück am Ende? Open End für Fortsetzung? Denkbar. Oder (begründbar durch den gewissermaßen nahtlosen Übergang) Rahmen zum Opener; somit Hinweis auf den „Worm“ als „Murder of Worlds“ und Erschaffen einer Kreishandlung? Wahrscheinlicher. Mhhhm. Und jetzt?

Ich möchte vor dem Fazit nochmals näher auf die Texte eingehen. Wenn ich daran denke, wer das unfassbare Grauen eines durch fremde Wesen zerstörten Universums am besten in Worte fassen könnte, fällt mir eigentlich nur der Altmeister H.P. Lovecraft ein. NONEUCLID haben sich für dieses besondere Konzeptalbum deshalb Hilfe von einem Autor geholt, der in Fachkreisen oft mit jenem Primus verglichen wird. Und dieses Vorhaben scheint zuerst auch gut zu gelingen; man findet interessante Metaphern wie den „Worm“ oder die „Tongues“, die wahrlich dem Album würdig sind. Doch was bei den ersten beiden Lieder noch sehr spannend wirkt, wird spätestens bei „Coming in Tongues“ eintönig. Der Autor hat sich zwar sichtlich Mühe gegeben, hat es dessen ungeachtet allerdings nicht geschafft sich adäquat zu steigern und verwendet in allen Songs die gleichen Phrasen. Man findet wirklich keine neuen Einfälle; textlich hat man mit den ersten beiden Songs bereits alle Motive aufgezeigt bekommen, die daraufhin nur wiederholt werden. Außerdem hat sich der Schriftsteller leider gar nicht mit der Lyrik in der Musik auseinander gesetzt, denn an manchen Stellen wären Reime durchaus angebracht, auf die der Verfasser komplett verzichtet. NONEUCLID haben hier ein durchaus interessantes Konzept ausprobiert, das zu Anfangs noch aufgeht, allerdings durch viele Defizittete eher nach Hinten los geht. Insgesamt findet man sich irgendwann damit ab und die Schwächen und Stärken der Lyrics gleichen sich aus. Vielleicht lässt sich dieses Konzept bis zum nächsten Longplayer optimieren, denn es hat durchaus Potenzial.

NONEUCLID haben mit ihrem Debüt „The crawling chaos“ definitiv gezeigt, dass sie eines Platzes in der Metal Szene würdig sind. Mit Songs wie „Worm“ oder „The Digital Diaspora“ haben sie einige absolute Monster erschaffen, bei denen man zuerst wie vor einer Wand steht, später jedoch kaum vermag, ihnen zu entgehen. Diese Tracks sollte jeder Fan komplexen Thrashes sich einmal anhören, den sie gehören definitiv zu dem Optimum der Szene. Dennoch; die zweite Hälfte auf der Langrille besteht aus einem mittelmäßigen Metal-Song, einem nicht gelungenen Ambient-Noise-Experimment und einem – für sich – interessanten, jedoch nicht überdurchschnittlichen Doom-Werk; das alles kann man sich auch sparen. Ein durchaus annehmbares Debüt, doch obwohl ich sonst eigentlich das Gegenteil empfehle, sollten sich NONEUCLID beim nächsten Release mehr auf ihre überragende Metal-Arbeit konzentrieren und ein bisschen weniger experimentieren. Man darf gespannt sein.

Redakteur: Dustin Kaiser

Wertung: 7.5 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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