Review Noekk – Waltzing In Obscurity

Ganze zehn Jahre lang hörte man nichts Neues von NOEKK, dem Oldschool-Prog-Rock Projekt von Thomas Helm alias Funghus Baldachin und Markus Stock alias F.F. Yugoth. 2018 belebten die beiden Musiker die Band dann endlich wieder, kündigten eine neue Platte an und veröffentlichten als ersten Vorgeschmack die EP „Carol Stones And Elder Rock“, welche einen dezenten, stilistischen Richtungswechsel markierte. Hinfort waren die verzerrten E-Gitarren und die ausgedehnten Songgebilde der ersten drei Alben, an ihrer Stelle standen nunmehr überwiegend akustische Klangerzeuger in kompakten, luftigen Arrangements. Obwohl NOEKK auf dem nunmehr daran anschließenden „Waltzing In Obscurity“ weiterhin etwas weniger ausschweifend und heavy musizieren, klingen die neuen Tracks des Duos doch wieder deutlich eklektischer als das recht gemäßigte Minialbum.

Wer sich Progressive Rock nicht ohne Distortion-Gitarren vorstellen kann und diese auf „Carol Stones And Elder Rock“ vermisste, kann unbesorgt sein. Schon im wundersam-mysteriösen, eröffnenden Titeltrack schlagen NOEKK zumindest stellenweise doomige Saitenklänge an und auch in den darauffolgenden Tracks trifft man dann und wann auf verspielte Gitarrenmelodien („The Giant“). Der Fokus hat sich jedoch insoweit verschoben, als die übrigen Instrumente auf „Waltzing In Obscurity“ denselben Stellenwert, wenn nicht sogar Vorrang genießen.

Aus diesem Grund lässt sich im Vorhinein auch kaum absehen, in welchem Song welche Stilmittel die Führungsposition einnehmen. Mal sind es kauzige, anschmiegsame Retro-Synthesizer, mal träumerische Clean-Gitarren („The Mirror“), geheimnisträchtige Akustikgitarren oder obskure Keyboardtöne („Perseus“), die im Mittelpunkt des Geschehens stehen. „The Windwaker“ klingt mit seiner geschmackvollen Instrumentierung gar geradezu kammermusikartig.

Man kann wohl mit Fug und Recht behaupten, dass NOEKK ihrer Kreativität hier vollkommen freien Lauf gelassen und damit ihr bis dato vielfältigstes Album kreiert haben. Dennoch entgleitet den Prog-Rockern zu keinem Zeitpunkt der rote Faden. Mögen die einzelnen Stücke noch so grundverschieden sein, sie alle eint eine eigentümliche, mystische Erhabenheit, welche insbesondere in Baldachins gewohnt makellosem Gesang zum Ausdruck kommt.

Ebenjener gibt sich auf „Waltzing In Obscurity“ zwar ein wenig reservierter als auf den Vorgängeralben, legt aber doch stets die zur Musik passenden Untertöne in seine Stimme, sodass etwa das beunruhigende „On Summits“ umso bedrohlicher klingt. Auf „The Secret Beaker“, das mit seinen leise durch die Luft flirrenden Clean-Gitarren definitiv zu den atmosphärischsten Stücken des Albums zählt, wird hingegen der sanften Natur des Songs entsprechend ruhig gesungen. Dass NOEKK zudem mit einer wunderbar definierten und nuancierten Sound aufwarten, ist im Hinblick auf Yugoths langjährige Erfahrung als Produzent zwar schon beinahe selbstverständlich, deswegen aber freilich nicht minder bemerkenswert.

„Waltzing In Obscurity“ ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Gesamtkunstwerk: Nicht nur inspirierten die Gedichte Peter Wolfgang Kassels, welche Baldachin im Zuge der dreiviertelstündigen Platte gesanglich vorträgt, letzteren überhaupt erst zum Songwriting, das Booklet beinhaltet darüber hinaus auch zu jedem der Tracks ein eigens von Kassel dafür angefertigtes Artwork. Es verwundert somit nicht, dass NOEKK von Song zu Song je nach besungener Thematik zu anderen Stilmitteln greifen und dabei doch kein Chaos herausgekommen ist. Auf diese Weise ist es der Zwei-Mann-Band gelungen, dem eigenen, verschrobenen Stil treu zu bleiben und diesen zugleich aufzulockern und freier zu gestalten. Viel mehr kann man sich als Fan des urigen Prog-/Doom-/Folk-Gemischs der Band eigentlich nicht wünschen.

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Wertung: 8 / 10

Publiziert am von Stephan Rajchl

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