Review Nine Inch Nails – Year Zero

Wir waren von Trent Reznor ja einiges an Wartezeit zwischen seinen Alben gewohnt, weswegen die kurze Zeitspanne zwischen „With Teeth“ und dem neuen Album „Year Zero“ auch sehr überraschend kam. Nur 2 Jahre nach dem rockigen, leicht zugänglichen Vorgänger, fährt Mastermind Reznor mit einem Mammutprojekt der Extraklasse auf, das er selbst als „Highly conceptual. Quite noisy. Fucking cool.“ beschreibt. Schon die virale Werbekampagne, die quasi das ganze Internet infiziert hat und die freizügige Veröffentlichungspolitik einzelner Tracks (Stichwort: absichtliche Leaks) haben neue Trends in der Musikbranche gesetzt. Detailreich zog man hier die Zukunftsvisionen auf, die über ein von religiösen Fanatikern geführtes Amerika der Zukunft berichtet. Waren die anderen Alben noch geprägt von Selbsthass und –zweifel, lässt uns der Songwriter hier an seiner Verzweiflung über die aktuelle, dekadente Situation der Welt und der Vereinigten Staaten teilhaben. Aber ich will nicht zuviel der Geschichte verraten, die man dieses Mal im Gegensatz zum Vorgänger im Booklet nachlesen kann. Aber nun zur musikalischen Seite:

Gleich von Beginn an fällt der wieder gestiegene elektronische Anteil an der Musik auf. Trent kehrt zwar nicht zu seinen „The Downward Spiral“ Zeiten zurück, doch mischt er diese mit dem zugänglichen Sound von „With Teeth“ und kreiert damit eine weitere Phase in der musikalischen Entwicklung von NINE INCH NAILS. Wie bei fast keinem zweiten Album, ist bei „Year Zero“ ein zweiter Durchgang notwendig. Beim ersten Durchlauf mag die Platte noch ziemlich gleichförmig und unspannend klingen, aber bereits beim nächsten Versuch bleiben einige Tracks und Passagen hängen und man versinkt immer tiefer in die Welt von Reznor, die man am besten mit Kopfhörer genießen sollte. Immer wieder fallen kleine, technische Spielereien auf, die zur dichten Atmosphäre beitragen und über dem allem schwebt nach wie vor Trents unverkennliche, charismatische Stimme. Ein Musterbeispiel dafür ist die erste Singleauskoppelung „Survivalism“, deren elektronische Instrumentalisierung mit einem aggressiven und mitsingbarem Refrain unterlegt wurde. Verzerrte Gitarren beherrschen immer wieder die Landschaft, in die wir von NINE INCH NAILS entführt werden, doch das Album ist von riff-basierter Härte weit entfernt. So besticht „The Good Soldier“ mit einer coolen, entspannten Bassline und wunderbaren Effekten, die mich in die „The Fragile“-Zeit zurückführen, während man „Vessel“ fast als Versuch werten müsste, den jeder selber gehört haben sollte, da der Track der am schwersten in Worte zu fassende auf dem Album ist. Und so geht es auf dem restlichen Album weiter: Bassline betonte, eingängige Tracks werden von seltsam anmutenden elektronischen Songs abgelöscht. Mein Tipp für die zweite Single fällt eindeutig auf „Capital G“. Unglaublich geile, zugängliche Gesanglinie, tanzfähige Beats und die Hintergrundgeräusche, die den Aufbau des Tracks sehr gut vorantreiben. Mit „The Warning“ kommen NINE INCH NAILS so nahe an den Höhenpunkt ihrer Schaffensphase, wie schon lange nicht mehr. Die noisigen Drums erinnern mich an „The Becoming“ von „The Downward Spiral“ und an die geniale Stimmung kommt kein Song von „With Teeth“ ran. Dieses Niveau wird auf diesem Album nur noch einmal erreicht bzw. überboten.

Jeder Song ist auf seine Art und Weise einzigartig auf dem Album, sei es eine abgefahrene Gesangslinie oder funky Hooklines, Trent fährt bei allen Songs große Geschütze auf. Die beiden abschließenden Tracks zeigen die ruhigeren Seiten des Songwritings, wobei „Zero-Sum“ einer der besten Songs des NINE INCH NAILS Universums geworden ist. Leise Pianoklänge werden von Noise umschlossen und Trents ruhiges „God have mercy on our dirty little hearts“ lässt den Hörer in eine andere Welt entschweben. Nicht selten sitzt man noch Minuten nach dem letzten Track in Stille da, um zu verarbeiten, was man gerade eben gehört hat.

Insgesamt ist das Album also wieder ein Stück Musik geworden, das den Namen NINE INCH NAILS zu Recht trägt. Klar ist es kein aggressives Zeugnis eines depressiven Trent Reznors geworden, wie es „The Downward Spiral“ ist und es hat auch keine soundtrackmäßigen Ausmaße eines „The Fragile“, doch nach dem guten „With Teeth“ ist der Songwriter wieder selbstbewusst genug geworden, um Experimente zu wagen und diese sind ihm auf dieser Platte fast immer aufgegangen. Manchmal könnten sich die elektronischen Spielereien etwas im Rahmen halten und es fehlen Tracks, die einen wirklich tief berühren und die eigene Gefühlswelt für Tage aus der Bahn werfen. Doch das Thema, die Umsetzung, jedes kleine Detail wird dem Fan in einer Qualität präsentiert, von der der Musikmarkt mehr vertragen könnte. Nächstes Jahr soll die Geschichte weitergehen und ich bin gespannt, ob Trent „Year Zero“ noch überbieten kann.

Wertung: 9 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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