Review Nihil Nocturne – Wahnsinn. Tod. Verrat

  • Label: Solistitium
  • Veröffentlicht: 2006
  • Spielart: Black Metal

Bei dem Namen NIHIL NOCTURNE lohnte sich bis vor kurzem nicht wirklich ein Aufmerken, zu viele Bands mit diesem eher old-school-lastigem Stil gibt es und zu viele sind wenigstens genauso gut wie die Dortmunder. Doch mit „Wahnsinn.Tod.Verrat“ wurde eine ganz neue Marschroute eingeschlagen, die wirklich beachtlich ist. Zum einen klingen sie so gar nicht mehr nach den NIHIL NOCTURNE auf z.B. „Necrohell“, zum anderen ist der neue Spielstil auch wesentlich besser. Doch dazu später mehr, zunächst möchte ich noch das Cover erwähnen, was einen mit Dornenränken umkranzten, gefallenen Engel zeigt. Ein Motiv, welches durchaus zum Titel des Albums passt. Das Booklet wurde auch außergewöhnlich gut gestaltet, es wird mit verschiedensten Motiven gearbeitet. Auf dem Backcover prangt übrigens eine Zeichnung, welche vermutlich einen Teil von Aristoteles Metaphysik-Thesen aufgreift. Auch die im Booklet gegrüßten Philosophen und Schreiber weisen daraufhin, dass man sich mit der Metaphysik beschäftigt.

Schon der Anfang von „Licht, verzehre mich!“ ist untypisch für normale Black Metal-Bands, obwohl diese trance-artige Musik gewisse Wesensmerkmale besitzt, welche mit der Richtung Black Metal stimmig sind. Obgleich man nicht behaupten kann, die Dortmunder hätten hier komplexe Strukturen verarbeitet, haben sie aus relativ einfachem Material doch etwas Besonderes geschaffen. Die Stücke wirken sehr ausgearbeitet und bei jedem Durchgang gibt es noch Unerschlossenes zu entdecken. Das liegt jedoch eher daran, dass NIHIL NOCTURNE mit „Wahnsinn.Tod.Verrat“ ein insgesamt sehr verstörendes, mysteriöses Werk eingespielt haben. Die Lyrik verstärkt diese Gefühlslage, da man schon philosophisch bewandert sein müsste, um die Texte vollends erschliessen zu können. Grundsätzlich darf man behaupten, dass sie ihre rohe Art des Black Metals beibehalten, sich aber einzigartiger durch die Ambient/Elektro-Phasen und gut gewählten Keyboard-Einschübe machen. Das zeigt sich eben auch deutlich in der Musik, welche beim ersten Hördurchgang nicht so detailverliebt und individuell wirken könnte, wenn man sich mehr auf die profanen Hörcharakteristika konzentriert.
Nordvinths Stimme ist noch nicht mal wirklich bemerkenswert, jedoch auch nicht Durchschnitt. Gut und absolut angemessen trifft es wohl, anderer, auffallenderer Gesang wäre zu dieser Musik auch eher unpassend, da die Atmosphäre vordergründig ist. Vigridr, welcher ja für den Bass und die Gitarre zuständig ist, macht hier einen exzellenten Job. Schleppend, dröhnend erklingt der Bass und verleiht dem Liedgut noch ein wenig mystische Tiefe. Die Gitarren sind alles andere als monoton eingesetzt, glänzen sie doch meist durch packende und eindrucksvolle Melodien. Die Kombination jener beiden Bestandteile macht einen nicht unwichtigen Teil der geistigen Essenz des Albums aus, hier darf man wohl das Wort brillant gebrauchen. Nimmt man nun noch das vorzüglich genutzte Keyboard hinzu und die Kreativität sowie das Können des Duos, man kann eigentlich nur hochwertige Musik erhalten.

Da die Stücke nummal tatsächlich voneinander auch differieren, gehe ich an dieser Stelle noch auf die meisten ein: „Licht, verzehre mich!“ beginnt eben mit der genannten Elektro/Ambient-Phase und klingt meiner Meinung nach wie ein Neubeginn nach einer vollzogenen Katharsis. Kurz darauf folgt dann das eigentliche Stück, welches im Grundton drückend, elegisch ist und den leicht hasserfüllten Gesang formidabel in Szene setzt. Das nachfolgende „Conjuring the Tyrant of Hell“ offeriert neben großartigen Gitarrenläufen vor allem einen sehr schönen Refrain, der eigentlich keiner ist. Hier handelt es sich bloß um ein Tempo-Herausnehmen und einen fast schon hymnischen Abschnitt, welcher lyrisch an Macbeth erinnert („I call Thee…“). „Psychophant Relic“ walzt sich zunächst seinen Weg, die dumpfen, niederprasselnden Orgel-Einlagen sind dazu gut gewählt. Auch ansonsten ist der Track sehr kraftvoll und sinister gehalten und kann den Hörer definitiv durch seine leicht schleppende Haltung beeindrucken. „Gnosis und Nacht“ lassen wir mal aussen vor, das Lied fällt recht kurz aus und hinterlässt keinen relativ großen Eindruck. „Demon of the Threshold“ wiederum beginnt wie man es schon gewohnt ist, vielleicht noch einen Tick apokalyptischer. Im letzten Drittel bieten die Dortmunder ein tranceartiges Postludium, famos inszeniert und sehr atmosphärisch auf den Hörer herniedergehend. „Dysangelist Fix“ wiederum ist durchaus interessant und ein gutes Stück, einprägsam und klasse ist aber nur der Refrain. Ansonsten ein guter Song, mehr aber auch nicht. „Succumb, Host!“ hat wieder ein elektronisch-ambientes Intro und baut so Atmosphäre auf. Vorzüglich sind hier die Keyboardklänge sowie die wirklich hochwertigen Riffbögen. Im schleppenden Part darf dann auch wieder der Bass brillieren, ein rundherum lobenswertes und mystisch-tiefgründiges Stück. Zuletzt dann noch „ch.a.oe – Kathedralimpuls“, ein Ausnahmewerk auf „Wahnsinn.Tod.Verrat“. Ein Anfang mit der Grundstimmung des Albums in Perfektion, textlich das Pendant zum Frontcover, bietet das Lied später ein gesprochenes und psychotisches Outro, welches die ersten Momente des Niedergangs und Verfalls einfängt. Denkt man nun an den Anfang des Albums, so schließt sich der Zyklus.

Ich kann mir vorstellen, dass „Wahnsinn.Tod.Verrat“ nicht jedem gefallen wird, es ist bedeutungsvoller und spezieller als das Gros der Black Metal-Veröffentlichungen. Man hat hier durchaus eine Art Referenzwerk vorliegen, denn so wie hier hat vielleicht noch keine Band ein Album eingespielt. NIHIL NOCTURNE haben also nicht nur ihren eigenen Stil gefunden und das großartig vertont, sie haben auch noch etwas Neuartiges erschaffen. Hinzu kommt freilich noch, dass jedes einzelne Lied auch nach unzähligem Hören noch neuartig wirkt und so begeistern kann.

Wertung: 8.5 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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