Review Nightwish – Once

Was letztes Jahr “St. Anger“ von Metallica für die Metalszene war, ist dieses Jahr wohl ohne Zweifel „Once“, das fünfte Album der finnischen Superstars NIGHTWISH. Schon im Vorfeld wurde aufgrund des Covers, Single- und Videoauskopplung und mächtiger Medienpräsenz viel über Qualität und Trueness des Albums und der Band überhaupt diskutiert. Wie auch bei „St. Anger“ muss man schon im Vorfeld ganz klar sagen, dass sich die Band nicht kopiert hat, ihren Sound zwar auch nicht grundlegend verändert aber um einige Facetten reicher und spannender gemacht hat. Und meine rein subjektive Ansicht zu diesem spontan angestelltem Vergleich dürft ihr auch noch wissen: „Once“ ist um einiges besser als „St. Anger“.

Wer sich anhand der Single „Nemo“ – welches nicht nur bei Top Of The Pops und der McDonalds Chartshow Woche um Woche ausgeschlachtet wird, auf der Bravo Hits 45 steht und in der Pro7-Programmvorschau eingesetzt wird – und dem wohl teuersten Video der Metalgeschichte ein Bild vom ganzen Album gemacht hat, wird entweder positiv überrascht sein (richtige NIGHTWISH-Fans) oder sich gründlich erschrecken (Trendhörer, die aus Versehen mal das ganze Album hören). „Nemo“ ist bei weitem die simpelste und kommerziellste Nummer der Scheibe, die als erste Single perfekt gewählt wurde. Hat zwar nix mit dem Fisch zu tun, hat aber gleichermaßen die Charts gestürmt.

Schon am Anfang darf man sich auch als Fan der ersten Stunde nach dem wenig innovativem „Century Child“ über eine positive Weiterentwicklung freuen. Der Opener „Dark Chest Of Wonders“ beginnt mit einem harten Riff, zu dem gesellt sich schon bald das London Session Orchestra, das auch beim dritten Herr der Ringe-Teil „Die Rückkehr des Königs“ beteiligt war. Das ist auch die wichtigste Neuerung, dieses Orchester aus etlichen Musikern mit den vielen klassischen Instrumenten wirkt unglaublich belebend für den Sound der Band und bringt neben den später im Album auftauchenden verträumten und romantischen Momenten auch sehr harte, dramatische und spannende Klänge mit ein. Einfach großartig, wie man das Orchester hier einsetzt! Klar, nichts Neues … doch so wie hier muss man das auch erst mal hinkriegen. Da können sich Iced Earth oder Dimmu Borgir nur vor verneigen.

Mehr Neues gibt es auch noch zu vermelden: Marco Hietala darf seine Stimme noch öfter mit einbringen als auf „Century Child“, und das trägt gut zur Abwechslung bei. Er hat sich in der Zeit auf jeden Fall verbessert und klingt nun kräftiger und böser als vorher, doch auch Tarja hat ihre Stimme noch mal trainiert, in allen Stimmlagen klingt sie nun noch besser als auf den Vorgängern. Die beiden Stimmen passen hier auch einfach perfekt zusammen. Und wenn ich schon über stimmliche Neuerungen schreibe: Chöre gibt’s nun auch nicht selten. Aber wenn auf einem Album schon über 90(!!!) Gastmusiker dabei sind, darf so was nicht fehlen.

„Wish I Had An Angel“ wird wohl für die meisten Diskussionen sorgen, denn so einen Song kannte man von NIGHTWISH bisher nicht. Nach zehn Sekunden bereits setzt ein Elektro-Beat ein. Ja, schon. Zusammen mit den Gitarren, dem Schlagzeugspiel und dem sehr tollem Gesang von Tarja und ist das Lied einfach nur eine coole Sau, dass man so fast schon zum Grand Prix schicken könnte. Diesen Song kann man nur lieben oder hassen. Mit dem achteinhalbminütigem „Creek Mary’s Blood“ erfüllte sich Tuomas einen kleinen Traum, da er schon länger mit einem amerikanischem Ureinwohner zusammenarbeiten wollte. Über Google lernte er den Indianer John Two-Hawks kennen. Der flötet sich auf selbiger durch das Lied und liest am Ende auch ein Gedicht vor. Dadurch und allgemein durch ein indianisches Flair erreicht der insgesamt sehr ruhige und (zum ersten mal, ha!) romantische Song eine ganz besondere und außergewöhnliche Stimmung, die mit jedem Durchlauf besser ins Ohr geht. Selbiges gilt auch für „The Siren“, in dem durch eine Sitar (indische Laute) sogar mal etwas orientalische Atmosphäre kreiert wird, während im Refrain mal Marco mit klarer und leidenschaftlicher Stimme singt, während man Tarja so gut wie gar nicht hört.

Auch „Dead Gardens“ und das zehnminütige Epos „Ghost Love Score“ erschließen sich nicht unbedingt gleich, da beide zunächst ziemlich dahindümpeln. Davon sollte man sich aber nicht täuschen lassen, „Dead Gardens“ weiß vor allem durch die harten Riffs zu gefallen, über die Tarjas weichste und sanfteste Stimme gelegt ist. Ein unverkennbares Highlight auf „Once“ hingegen ist „Planet Hell“, das megabombastisch, hart und schnell ist und auch eins der besten Stücke in der Geschichte von NIGHTWISH ist. Ebenfalls verhältnismäßig hart ist „Romanticide“. Vom Namen sollte man sich nicht täuschen lassen, denn geschnulzt wird hier nicht, sondern eher das Schlagzeug getreten und in schleppenden Bombast getaucht, wie ihn zuletzt Stratovarius mit „Soul Of A Vagabond“ erschaffen hatten (nur machen es NIGHTWISH spannender und einfach besser).

Da „Ghost Love Score“ auch wieder mehr durch dramatisches Orchester als durch metallische Härte besticht, ist der Abschluss der CD etwas ungünstig zusammengestellt. „Kuolema Tekee Taiteilijan“ ist eine wunderschöne Akustikballade, bei der Tarja in finnisch singt. Auf Romantik-Bombast (ha!!) setzt dann zum Ende „Highter Than Hope“, eine fesche Powerballade, wie es NIGHTWISH wohl vorher kaum hinbekommen haben.

Was gibt’s nach diesen 60 Minuten noch zu sagen? Dass NIGHTWISH sich wirklich weiterentwickelt und absolut nicht kopiert und nach dem (vielleicht) Sicherheitsalbum „Century Child“ alle Kritiker und Besserwisser Lügen gestraft haben. Klasse Leistung, von der man sich nicht durch den Medienrummel ablenken oder gar abschrecken lassen sollte. Auch der Hype geht wieder rum. Der NIGHTWISH-Fan, der es bisher schon war, oder es durch „Once“ noch neu wird, wird sich auch weiterhin an den alten Sachen und dem Neuen erfreuen können.

Wertung: 9 / 10

Geschrieben am 5. April 2013 von Metal1.info

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