Beim Anblick des Artworks ihres sechstes Albums „Arete“ könnte man auf die Idee kommen, NETHERBIRD hätten sich selbst neu erfunden. Anders als die Gothic-Ästhetik ihrer Frühwerke und das malerische Äußere ihrer darauffolgenden Platten bis einschließlich „Into The Vast Uncharted“ (2019) lässt das monumentale Coverbild der jüngsten Veröffentlichung eher an Viking Metal denken. Doch die Gewohnheitsmenschen unter ihren Fans müssen nicht bangen: NETHERBIRD sind ihrer besonders melodischen Mischung aus Black und Death Metal treu geblieben – eigentlich sogar etwas zu treu, wenn man an das starke Vorgänger-Full-Length zurückdenkt und es mit „Arete“ vergleicht.
Im mit finsteren Gitarren, Streicher-Keyboards und Gewitter-Samples drohenden Intro „Âme Damnée“ erkennt man NETHERBIRD zwar noch nicht, schon das anschließende „Towers Of The Night“ zeigt die Band jedoch in ihrer gewohnten Gestalt. Mit Screaming-Vocals, die eher gehaucht als gebrüllt klingen, fetzigen Riffs, leicht melancholischen Leads und treibendem Drumming setzen die Schweden den auf ihren bisherigen Veröffentlichungen beschrittenen Weg unbeirrt fort. Dabei glänzen die Melodic-Black-Metaller einmal mehr mit schlüssigem Songwriting und einem kraftvollen, gut abgerundeten Sound.
Auch an Abwechslung mangelt es „Arete“ nicht: „Void Dancer“ beginnt etwa mit einer grazil tänzelnden Akustikgitarre, in „Infernal Vistas“ schlagen NETHERBIRD gegen Ende etwas imposantere Töne an und „Carnal Pentiment“ sticht durch sein besonders eisiges Tremolo-Picking hervor. Überraschend sind diese geringfügigen Abweichungen vom Grundstil der Band allerdings nicht. So läuft die Gegenüberstellung mit der Vorgängerplatte letztlich auf die Frage hinaus, welches der beiden Alben die packenderen Arrangements vorzuweisen hat – hier zieht „Arete“ leider den Kürzeren.
Obgleich einige der neuen Stücke wie das über acht Minuten lange, von einem ausgedehnten Clean-Gitarren-Part eingeleitete „Atrium Of The Storm“ mitunter durchaus beeindrucken, kommen manche Passagen doch nicht über das Maß des Durchschnittlichen hinaus. Während NETHERBIRD auf „Into The Vast Uncharted“ mit Highlights wie „Mercury Skies“ und „Lunar Pendulum“ nicht geizten, muss man hier schon die Ohren spitzen, um ähnlich starkes Material inmitten der bloß soliden Tracks nicht zu überhören.
Konnten NETHERBIRD ihren nur schwach ausgeprägten Experimentierdrang zuvor noch mit ihrem hervorragenden Gespür für fesselnde Melodien überdecken, so gelingt ihnen dies inzwischen nicht mehr ganz so lückenlos. In puncto Performance, Produktion und Songaufbau kann man sich auf die Schweden zwar nach wie vor blindlings verlassen, ein Meisterwerk sollte man bei „Arete“ jedoch nicht erwarten. Wer im Black Metal gerne deutlich zu erkennende Tonfolgen und nicht bloß weißes Rauschen hören möchte, ist mit NETHERBIRD weiterhin gut beraten. In dieser Hinsicht haben aber zum Beispiel die stilistisch ähnlich ausgerichteten Tribulation bereits Spannenderes und Denkwürdigeres bewerkstelligt.
Wertung: 7 / 10
Hmm, hab’s schon bisschen befürchtet. Die Vorabsingles haben mich jetzt auch nicht so gecatcht. Das letzte Album fand ich dagegen richtig stark. Werde es mir trotzdem mal noch bei Gelegenheit anhören, aber ich könnte mir vorstellen, dass ich es am Ende ähnlich sehe wie du.