Review Nebelkrähe – entfremdet

  • Label: Eigenproduktion
  • Veröffentlicht: 2009
  • Spielart: Black Metal

Ein Album namens „entfremdet“ von einer Band NEBELKRÄHE, die ihren Stil als progressiven, melodischen Black Metal ankündigt. Um ehrlich zu sein, ist das nun wirklich kein Alleinstellungsmerkmal und dementsprechend ist die Erwartung dann, auch ob der eher miesen Soundqualität der vorab bei Myspace zu hörenden Songs, eher gedämpft. Doch – soviel sei vorweg verraten – glücklicherweise handelt es sich bei NEBELKRÄHE und ihrem Debütalbum mit dem wunderbar klischeefreien Cover nicht um eine der untergroundigen Black-Metal-Kapellen, deren Langrillen maximal das Prädikat durchschnittlich verdienen. Nein, ganz so schlimm kommt „entfremdet“ nicht daher, auch wenn sich die Musiker Genre-echt mit weißer und schwarzer Farbe Panda-artig zukleistern und auch sonst – bewusst oder unbewusst – das ein oder andere Klischee bedienen.

Der Opener „Blick vom Ebenholzturm“ konfrontiert den Hörer leider gleich zu Beginn mit der vielleicht größten Schwäche des Albums, seiner Produktion. Die eröffnende Gitarre klingt seltsam artifiziell und auch die später einsetzende Double-Bass klickt mehr als zu Dröhnen. Das schmälert das ansonsten aufkommende und viel bemühte Hörvergnügen zumindest bis zu dem Punkt deutlich, an dem man sich damit abgefunden hat oder den Klang als gewollt akzeptiert. Zumindest sticht diese Klangmerkwürdigkeit in den insgesamt acht Stücken, von denen nur eines die fünf Minuten um 30 Sekunden unterbietet, ansonsten nur selten ins Ohr: Ansonsten passt der angemessen dreckige, ein wenig künstliche und zum Glück nicht ultimativ auf Proberaum getrimmte Sound sehr gut zum musikalisch-inhaltlichen Teil der Entfremdung. Hat man sich an den ungewöhnlichen Mix gewöhnt, scheint er sogar stellenweise besser zur Musik zu passen als glatt polierter 08/15-Sound vom Fließband oder das verzweifelte Streben nach der immer grausigeren Garagenproduktion.

So brechen denn auch die anderen sieben Songs sowohl textlich als auch musikalisch gerne aus dem starren Korsett des Black Metal aus. Dabei bewegen sich NEBELKRÄHE vornehmlich in mittleren Tempogefilden, teilweise kommt aber auch ein doomiger Einschlag durch – stumpf ist was anderes. Je öfter sich der Silberling im Player dreht, desto mehr ausgefeilte Details und Spielereien erschließen sich dem Hörer. Lässt man sich dann von der Musik tragen und hört genauer hin, was Sänger umbrA oft keifend, doch auch mal klar („Als meine Augen ich aufschlug …“) fertigbringt, hat man ein wunderbares Gesamtwerk vor sich, das geradezu danach schreit, tief aufgenommen zu werden.

Der „Lichtbringer“ ist eine Auseinandersetzung mit Platos Höhlengleichnis und zeigt gut den kritischen Grundton des Albums: Zwar liegt über allem der Nebel des schwarzen Metalls, doch polyrhytmische Drums unter kriechend zähen Gitarrenriffs sprechen eine progressive Sprache, die sich auch erst nach und nach voll zu entfalten weiß. Dazu gesellen sich thrashige Attacken („Mein ungleich‘ Ebenbild“) und viele Parts, die sich keiner speziellen Richtung zuordnen lassen. Man merkt: In diesem vollständig in Eigenregie entstandenen Album steckt Herzblut und viel Arbeit. Obwohl kein Konzeptalbum, lässt sich das Werk am wundervollen Instrumentalstück „Dem Alb entronnen, so nah dem Traum“ in zwei Teile trennen: Während die Titel im ersten Teil nicht direkt verbunden sind, bilden die letzten drei eine Einheit, den „Arkadien-Zyklus“. Dieser, inklusive dem vorangestellten Intrumental, bietet nochmal eine Steigerung des schon ungewöhnlich guten vorhergegangenen Materials: Nachdem „Als meine Augen ich aufschlug …“ mit Cleangitarren eher verhalten beginnt und dann auf über fünf Minuten grandios Spannung aufbaut, knüppelt die „Gewissheit:“ alles zu Boden, um schlussendlich das Feld für den fast zwölf Minuten langen Übersong „Et in Arcadia ego.“ zu räumen. Über diesen allein ließe sich wohl schon eine Rezension voll des Lobes schreiben.

Das, was der Fünfer aus München hier auf eine Plastikscheibe gebracht hat, hat Zukunft: „entfremdet“ ist ein Gesamtkunstwerk aus Musik, Text, Konzept und Cover, in dem hörbar viel Arbeit steckt und dessen einzelne Teile allesamt detailliert durchdacht wurden. Zum Glück merkt man dies zwar, doch tut es dem Hörgenuss keinen Abbruch – im Gegenteil. Ohne auch nur ein Keyboard in die Nähe des Proberaums kommen zu lassen, erschaffen NEBELKRÄHE mit abwechslungsreichem, kunstvollem, aber auch treibendem, schnellem Gitarrenspiel, differenzierten Drums und einer variablen Gesangstimme eine äußerst melodische Atmosphäre, die in „Et in Arcadia ego.“ ihren Höhepunkt findet. Wenn es ihnen gelingt, den ureigenen Stil weiter zu verfeinern und sich nicht unterkriegen zu lassen, dürfen wir von dieser Band wohl noch einiges erwarten.


Wir weisen darauf hin, dass in der hier besprochenen Band ein Redaktionsmitglied von Metal1.info aktiv ist. Selbstverständlich sind wir auch in solchen Fällen stets um professionelle Distanz bemüht. Eine Einflussnahme des betreffenden Redakteurs auf Text oder Wertung schließen wir aus.

Wertung: 8.5 / 10

Geschrieben am 26. Juni 2009 von Metal1.info

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