Nicht schlecht schmunzeln musste ich, als mir dieses Rezensions-Objekt ins Haus geflattert ist. Ich als passionierter Schwarzmetaller soll mich also einer Live-DVD eines Herren annehmen, der sich seit jeher eher den progressiven Klängen verschrieben und seine erfolgreiche Gruppe verlassen hat, weil Gott es ihm auftrug und er seinen Glauben so intensiv wie möglich praktizieren wolle. Beste Vorraussetzungen also!Die Rede ist natürlich von Neal Morse, der sich bisher durch seine Rolle als Schlüsselfigur bei Spock’s Beard oder mit dem Transatlantic-Projekt einen Namen gemacht hatte. Nach dem Ausstieg aus beiden Gruppen aus genannten Gründen nahm der Multi-Instrumentalist sein Doppelalbum „Testimony“ auf und veröffentlichte es bereits 2003, im folgenden Jahr gab es dann einige Live-Termine, die Morse mit einer – inklusive ihm – achtköpfigen Band wahrgenommen hat. Der bekannteste Name ist da sicherlich Mike Portnoy, der hauptberuflich ja Oktopus bei Dream Theater ist und auch schon bei Transatlantic mit Morse zusammengespielt hat.
Das Ergebnis der kleinen Konzertreise jedenfalls hört auf den schlichten Namen „Testimony Live“, man wählte das Konzert in Tilburg zur Füllung der zwei DVDs aus. Der erste Silberling enthält das „Testimony“-Album live und in Farbe von Abba bis Zappa und ist in fünf verschiedene Parts unterteilt, unter’m Strich kommt man so auf stolze 29 Lieder. Besitzern des „Testimony“-Albums erzähle ich vermutlich nichts neues, doch allen anderen sei ein kleiner Einblick in das Material geboten: Es gibt ruhige Momente, ich wollte sie beinahe „Musik zum Entspannen“ nennen, progressive Momente mit viel abgefahrenem Keyboard-Gedudel und gar ein paar zünftig-rockige Augenblicke. In Sachen Instrumente kannte man keine wirklichen Grenzen, von Standardwerkzeug wie der Gitarre bis hin zur Violine oder dem Saxophon hört man da so einiges. An der Musik an sich gibt es, auch wenn es jetzt nichts ist was ich mir öfters anhören würde, nicht viel auszusetzen, da sie handwerklich über jeden Zweifel erhaben und eben auch nicht schlecht ist – bitter aufstoßen tut mir da eine andere Sache. Songtitel wie „Sleeping Jesus“, „God’s Theme“, „Oh Lord my God“ oder „Oh to feel him“ sowie Morse’s generelles Geschwafel von seiner Erleuchtung und wie ihn der Herr ja immer berührt missfallen mir doch sehr, womit ich sicher nicht alleine bin…
Auf die eigentliche Qualität des „Testimony“-Doppeldeckers hat das aber natürlich keine direkte Auswirkung. Ist man mit dem Tilburg-Konzert fertig, bleibt nämlich immer noch DVD Nummer 2: Dort sind drei weitere Stücke vom Konzert enthalten, dabei handelt es sich allerdings um Interpretationen der beiden Transatlantic-Lieder „Strangers in your Soul“ und „We all need some Light“ sowie um „The Light“ von Spock’s Beard. Gerade letzteres scheint sich unter Prog-Freunden großer Beliebtheit zu erfreuen und ist somit wohl auch hier ein zusätzlicher Anreiz. Neben den besagten Zugaben gibt es auf der zweiten Scheibe eine Dokumentation, die spartanisch-sympathisch hauptsächlich auf den Camcordern der Bandmitglieder entstanden ist und Einblicke in die Proben, die Tour und das heitere Miteinander bietet. Abgerundet wird das Paket durch eine zusätzliche Foto-Gallerie.Ganz ehrlich hätte ich selbst mir dieses Doppel-DVD wohl nicht zugelegt, einfach da sie musikalisch und besonders ideologisch nicht ganz mit meinen Präferenzen konform geht, Freunden progressiver Klänge, Fans des „Testimony“-Albums und Spock’s Beard-Nostalgikern kann ich aber mit gutem Gewissen eine Kaufempfehlung aussprechen. Wer’s mag bekommt hier über 250 Minuten Balsam für die Ohren und muss sich somit auch um’s Preis / Leistungs-Verhältnis keine Sorgen machen. Da ich aber doch etwas arg Genre-fremd bin, verbleibe ich ohne eigene Bewertung.
Keine Wertung