Never change a running system: Vor gerade einmal einem halben Jahr veröffentlichte Prog-Tausendsassa Neal Morse mit „Testimony 2“ ein Doppel-Album, jetzt schiebt der amerikanische Workaholic ein fettes, fünf Disc umfassendes Liveset mit der Komplettaufführung jenes Studiowerkes nach. Auf zwei DVDs und drei Audio CDs dokumentiert das üppige Paket die „Testimony 2“-Tour mit der amerikanischen Besetzung (samt ex-Dream Theater Schlagzeuger Mike Portnoy), genauer gesagt deren finale Show am 28. Mai in Los Angeles. Zur Rezension liegen mir allerdings nur die drei Audio-CDs vor; über den eigentlich interessanteren Teil kann ich somit keine Auskunft geben.
Die drei CDs jedenfalls machen mächtig Spaß und glänzen durch eine hervorragende Setlist. Ob nun der epische Konzerteröffner „Lifeline“, das abgedrehte „Leviathan“, das bisher noch nie gespielte Opus „The Separated Man“ oder die Komplettaufführung des aktuellen Albums: Neals Band agiert stets absolut sicher, mitreißend und kraftvoll. Der Spielspaß der Combo ist zu jeder Sekunde hör- und spürbar.
Und so muss sich diese Veröffentlichung nicht an ihrer Qualität messen lassen, sondern lediglich an ihrem Sinn. Macht es wirklich Sinn, eine Komplettaufführung eines aktuellen Albums so kurz nach dem Release der Studiofassung – wenn sie eh allen Fans und Prog-Freunden noch im Ohr ist – auf den Markt zu bringen? Und wo liegt der Mehrwert gegenüber anderen Neal Morse-Liveplatten namens „So Many Roads“ oder „? Live“ sowie gegenüber Live-DVDs wie „Testimony live“ und „Sola Scriptura & Beyond“? Nun, abgesehen vom „Testimony 2“-Teil ist tatsächlich „The Separated Man“ der einzige Song, der auf keiner anderen Live-Veröffentlichung von Neal Morse zu finden ist. Verkaufsfördernder dürfte da schon die Tatsache sein, dass erstmals seit 2003 wieder Neals treuer Studioweggefährte Mike Portnoy hinter der Schießbude sitzt – denn mit diesem Namen auf dem Cover greifen gleich doppelt so viele Prog-Fanatiker zu; erst recht deswegen, weil dieses Mal nur das amerikanische Publikum in den Genuss des ex-Dream Theater Schlagzeuger kam, während Neal hierzulande mit seiner europäischen Band rund um den holländischen Drummer Collin Leijenaar unterwegs war. Und die ist zwar keineswegs schlechter, aber eben auch nicht bekannter.
Und so ist „Testimony 2 – Live In Los Angeles“ letztlich etwas für Komplettisten und Diehard-Fans. Oder eben für Leute, die noch keine andere Neal Morse-Livescheibe besitzen und „Testimony 2“ lieben. Wer Neal & Band audiovisuell erleben will und dabei nicht unbedingt Mike Portnoy zur Glückseeligkeit braucht, sollte zudem eher zur „Sola Scriptura & Beyond“-DVD greifen – diesen Schluss lassen zumindest die Trailer zu dem vorliegenden Paket zu, die qualitativ in jeder Hinsicht deutlich hinter der hervorragenden DVD aus dem Jahre 2008 liegen.
Keine Wertung