Mittlerweile scheint es sich so eingebürgert zu haben, dass NEAL MORSE zu Beginn eines jeden Jahres Europa (und insbesondere Deutschland) besucht, um seine Zuschauer auf Acoustic-Worship-Konzerten nur mithilfe einer Gitarre und eines E-Pianos mit seiner Musik zu verzaubern und ihnen ganz nebenbei seine Version vom christlichen Glauben und Gottes Wirken im Leben näherzubringen. Jedenfalls finden diese Veranstaltungen in christlichen Freikirchen nun schon zum dritten Jahr in Folge statt. Und Neal hat natürlich zu diesem Zwecke wieder eine neue Worship-CD mitgebracht. Sie hört auf den Namen „Songs From The Highway“ und präsentiert uns Neal wiedereinmal in Topform und so nah und pur, wie nur auf einem Silberling möglich.
Im Gegensatz zu den beiden Worship-Alben „Lead Me Lord“ und „Send The Fire“ hat sich Neal hier darauf beschränkt, nur seine Akustikgitarre und seine warme Stimme sprechen und Geschichten erzählen zu lassen. Keine Percussion, keine E-Piano-/Streicherkombinationen, keine Gospelchöre. Neal präsentiert sich so minimalistisch und natürlich wie selten zuvor und lässt auch den von vielen so gefürchteten spirituellen Sound außen vor. Die Texte sind durch und durch christlich und erzählen von Geschichten aus der Bibel, Zeugnissen von Menschen aus Neals Gemeinde oder seinem eigenen Weg zu Gott. Musikalisch beschreibt Neal das Album als Folk-Album im Stile eines Bob Dylan – und wenn man dies auf die Natürlichkeit und Spontaneität bezieht, so kann man seine Beschreibung durchaus nachvollziehen. Besonders Folk-beeinflusst kommt das Album nämlich nicht rüber. Auf schöne oder waghalsige Akustikgitarrensoli müssen wir dieses Mal beispielsweise verzichten. Die Songs weisen eine betörende Einfachheit auf, wenn wir mal Neals übliches musikalisches Betätigungsfeld (also den Progressive Rock) als „Messlatte“ ansetzen. Hier gibt es nur das ganz simple Strophe-Refrain-Schema, gelegentlich eine Bridge – das Neal sogar auf Soli verzichtet hat, ist bei dem Können des Herren beinahe schon etwas schade. Andererseits gibt diese Vorgehensweise „Songs From The Highway“ einen ganz speziellen Charakter.
Ruhe, Besinnlichkeit, Wärme, Hoffnung – aber auch Nachdenklichkeit – all das strahlen diese zwölf musikalischen Kleinode aus. Songs wie „There Is Nothing That God Can’t Change”, “That Crutch” oder “Resurrection Ground” haben fantastische Melodien, die sofort im Ohr hängen bleiben. Dass Neal trotz aller religiöser Ernsthaftigkeit noch Spaß versteht, beweisen Songs wie der ironische, flotte „Talking Mega-Church Blues“, der über Neals Erlebnisse in seiner ersten (für ihn unpassenden) Kirche erzählt oder auch „What He’s Done For Me“, in dem der Spaß, den Neal bei der Aufnahme des Songs hatte, sich sofort auf den Hörer überträgt. „Prayer For Germany“ ist textlich ein besonders interessanter Song, der davon erzählt, dass über Deutschland immer noch eine dunkle spirituelle Wolke schwebt, und zwar seit den Geschehnissen des Zweiten Weltkriegs. Neal betet hier dafür, dass Gott sich auch diesem Land widmen solle. Recht lustig ist dabei der Refrain, der mit seinen typischen, ziemlich abgegriffenen Harmonien gar ein wenig an Schlager erinnert und textlich so wunderschön auf „…..for Germany….!“ endet. Definitiv zum Schmunzeln, aber im Prinzip ein toller, aufrichtiger Song! Über Titel wie „Make Me A Dishwasher“ darf definitiv auch gelächelt werden, Fakt ist jedoch, dass es im musikalischen Sinne während der 57 Minuten Spielzeit absolut nichts auszusetzen gibt. Dass solche Songtitel metaphorisch gemeint sind, dürfte in diesem Kontext ja klar sein. Der ein oder andere Hörer mag der Platte mangelnde Abwechslung vorwerfen, da bedingt durch die einfachen Arrangements der Sound durchgehend recht gleich ist. Dazu sage ich nur: „Songs From The Highway“ ist ein Album, das man nicht jeden Tag hört, sondern in besonderen Zeiten in den Player legt.
Neal zeigt sich reif und weise, erzählt herzerwärmende Geschichten, reiht viele viele Strophen aneinander, ohne musikalisch große Abwechslung zu präsentieren – und doch sind die Melodien so schön und die Texte so positiv, dass man einfach gern zuhört und ein Stück weit Seelenheil gespendet bekommt.
Für mich gibt es mittlerweile keinen Zweifel mehr: Neal ist ein fantastischer Progrocker, aber auch als klassischer Songwriter gibt er eine ganz hervorragende Figur ab. Und wer ihn einmal im Rahmen einer Acoustic-Worship-Tour gesehen hat, mag mir vielleicht sogar Recht geben, wenn ich behaupte, dass bei dieser einfachen Musik mindestens genauso viel Wärme, Herzlichkeit und Emotionen rüberkommen wie in seinen Progepen. Es braucht nur diese Stimme und eine Gitarre.
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