Alle Jahre wieder kommt das Christuskind. Und alle Jahre wieder kommt Neal Morse nach Deutschland. Alle Jahre wieder bringt er dabei eine neue Worship-CD mit, deren Songs dann im Zentrum der spirituellen Abende stehen, die der ehemalige Progrock-Held nun regelmäßig veranstaltet. Die 2008er Ausgabe hört auf auf den Namen „Secret Place – Worship Sessions Vol. III“. Darauf zu finden sind wie immer eine gesunde Mischung aus traditionellen amerikanischen Praise & Worship-Nummern und neuen Eigenkompositionen.
Große Neuerungen sollte man bei Neals Worship-Alben nicht erwarten, er mischt lediglich den Soundcocktail jedesmal leicht verschieden. Auf der dritten Ausgabe seiner Worship-Sammlung herrscht auf der einen Seite die besinnliche Stimmung von Alben wie „Send The Fire“ vor, auf der anderen Seite findet der Hörer hier viele sehr poppige Tracks, wie sie größtenteils auf der Scheibe „God Won`t Give Up“ zu hören waren.
Neu ist allerdings, dass Neals Kinder nun ebenfalls ein Liedchen singen dürfen: Die immer noch süßen, aber qualitativ schon enorm guten Stimmchen von Wil und Jayda Morse hören wir auf „Angel Of The Lord“, ein Song, der Besuchern der ruhigen Neal Morse-Abende bereits sehr gut bekannt sein dürfte. Julie Harrison, die schon seit langer Zeit den Backgroundgesang bei diesen Veranstaltungen übernimmt, ist nun endlich auch auf CD zu hören. Sie singt „It’s My Desire“, „May The Words“ und „Secret Place (Have Your Way)“ und steuert gelegentlich Backgroundvocals bei.
Qualitativ muss man leider feststellen, dass auch ein Genie wie Neal Morse nicht jedes Jahr Songs wie „Cloudburst“, „I Give All“ oder „We All Need Some Light“ schreibt. Eine Erkenntnis, derer sich Neal hoffentlich auch bewusst ist, denn sein Output in den letzten Jahren ist ja mehr als beachtlich. Dass selbst der beste Künstler da irgendwann schwächeres Material raushaut, liegt auf der Hand. Und so kommen dann billige Kommerzworship-Nummern wie „Room At The Cross“ (mit der Textzeile „there is room at the cross for you“ – das muss man sich mal auf der konservativ-trockenen, deutschen Christenzunge zergehen lassen!) oder „After The Rain“ zustande, die in etwa klingen, als würden Wolfgang Petry und Bryan Adams zusammen im Gottesdienst musizieren. Definitiv haben diese Songs tolle Melodien, allerdings werden Strophe und Refrain schon nach kürzester Zeit langweilig. Ich wette im übrigen, dass dem Meister selbst nicht aufgefallen ist, dass zwei der von ihm hier geschriebenen Songs beinahe dieselben Melodien haben: Man vergleiche den Refrain von „I Surrender All“ mit der Strophe von „The Lord Is On My Side“. Schon klar, die Ähnlichkeit könnte noch schlimmer sein, aber es ist dennoch auffällig. Mit „Secret Place“ findet sich auf der CD zudem ein Song, den es in einer anderen Version schon auf der „Lead Me Lord (Worship Sessions Vol. I)“ gab. Wenn man bedenkt, dass Neal alle selbst komponierten Songs dieses Album innerhalb von einer Woche geschrieben hat, sind all diese Dinge nicht verwunderlich.
Doch Gott sei Dank (!) gibt es auch auf Worship-Werk Nummero Drei wieder zwei, drei Songs, die die Platte zumindest für Neal Morse-Fans und -Sammler unverzichtbar machen: Der Opener „Alleluia“ ist zwar lyrisch äußerst abgegriffen, weiß aber mit wunderschönen Melodien und Chorgesängen zu gefallen und hat eine äußerst positive Grundstimmung und Ausstrahlung. Mit „Jailbreak“ gibt es wieder eine flotte, groovige Akustikgitarrennummer, die mit viel Drive zu überzeugen weiß. „I Surrender All“ ist ähnlich herrlich und einlullend wie seinerzeit „I Give All“, während „May The Words“ einfach zu Tränen rührend schön ist. Letzteres stammt übrigens vom in der christlichen Szene sehr bekannten amerikanischen Musiker Tim Hughes.
Ein Pflichtkauf waren und sind die Neal Morse Worship-Alben für die Allgemeinheit der Hörer nicht. Dennoch gab es bisher für Fans immer Gründe, sich die Platten zuzulegen. Sie hießen „Cloudburst“, „The Crossroads“ oder auch „Taste And See“. Leider erreicht „Secret Place“ nur noch selten die Tiefe und Klasse von Neals anderen Alben. Es ist ein Album, dass man immer wieder mal gern im Hintergrund auflegt oder beim Besinnen laufen lassen kann. Musikalisch interessant ist es auf Dauer leider nicht. Ob ihr es kauft oder nicht, solltet ihr nicht nur im Hinblick auf euren Sammelwahn entscheiden, sondern auch im Hinblick darauf, ob ihr dass, was Neal Morse hier regelmäßig in Deutschland und Europa macht, für lohnens- und unterstützenswert haltet.
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