Über zehn Jahre ist es nun schon her, dass Neal Morse Spock’s Beard verlassen hat. Über zu wenig Prog-Alben aus seiner Feder können wir uns seitdem ebenso wenig beschweren wie über grobe musikalische Schnitzer. Nur eine Sache bekommt er nicht in den Griff: Seine Live-Band. Der mangelte es bisher einfach an Konstanz. Zwar gab es Musiker wie Schlagzeuger Collin Leijenaar, die Neal viele Jahre lang begleitet haben; dennoch hatte er bis vor kurzem für Tourneen in Europa und Amerika zwei völlig unterschiedliche Bands, die immer wieder mit spontanen Neubesetzungen zu kämpfen hatten. Vor diesem Hintergrund allerdings waren sie phänomenal gut.
2012 schließlich suchte Neal ziemlich überraschend über YouTube nach neuen Begleitmusikern; er wollte endlich eine einzige Band für zwei Kontinente. Und er fand Adson Sodre (Gitarre, Gesang), Bill Hubauer (Keyboards, Saxofon, Violine, Gesang) und Eric Gillette (Keyboards, Gitarre, Percussion, Gesang), die gemeinsam mit seinen langjährigen Studio-Kumpanen Mike Portnoy (Schlagzeug, ex-Dream Theater) und Randy George (Bass) die neue Band bilden.
Die Feuertaufe für diese Live-Mannschaft war die Amerika-Tour zu Neals aktuellem Album „Momentum“, in deren Rahmen auch das vorliegende Live-Dokument entstand. Gefilmt und aufgenommen wurde für dieses 2DVD + 3CD-Set die Show am 11. Oktober 2012 in New York City. Auf dem Programm standen dabei unter anderem neue Songs wie „Thoughts Part 5“, „Momentum“ oder der Longtrack „World Without End“, aber auch Klassiker wie „Sing It High“ oder „Author Of Confusion“. Neben dem kompletten Gig auf DVD und CD enthält die üppig ausgestattete Live-Box noch einen einstündigen Blick hinter die Kulissen der Tour.
Da es von NEAL MORSE mittlerweile wirklich genug offizielle Live-CDs und -DVDs gibt, darf man sicherlich die Frage nach der Notwendigkeit eines weiteren Mitschnitts stellen. Ich denke, man sollte die Veröffentlichung vor allem als gelungene Vorstellung der neuen Band betrachten. Die Jungs sind wirklich gut. Allen voran Gitarrist Adson Sodre ist ein absoluter Glücksgriff. Das macht er in zahlreichen schnellen, aber auch gefühlvollen und stets sehr vielseitigen Soli eindeutig klar. Hoffen wir, dass Neal mit dieser Besetzung nun länger die Bühnen der Welt (un-)sicher macht. Wer noch keine Live-Veröffentlichung von Neal hat und eine Anschaffung plant, der darf sich gern an den Setlists orientieren und seinen Favoriten aus „Testimony Live“, „? Live“, „Sola Scriptura & Beyond“, „So Many Roads“, „Testimony 2 Live“ und eben „Live Momentum“ frei wählen.
Die Qualität der Performance und des Sounds sind auch auf „Live Momentum“ jedenfalls wieder gewohnt einwandfrei. Neal ist live ein Energiebündel, das seine Zuhörer mit jeder Menge Charisma anzustecken weiß. Zum DVD-Part kann ich an dieser Stelle allerdings nichts sagen, da dieser mir zur Rezension leider nicht vorliegt. Auf der Grundlage des offiziellen YouTube-Trailers behaupte ich aber, dass sich das Videomaterial qualitativ und atmosphärisch irgendwo zwischen „Sola Scriptura & Beyond“ (bisherige Neal-Referenz) und „Testimony 2 Live“ einordnet. Insofern ist „Live Momentum“ letztgenanntem vermutlich eindeutig vorzuziehen.
Kleiner Hinweis noch am Rande: Es gibt auch eine Blu-ray-Version von „Live Momentum“. Diese ist allerdings ausschließlich über Neals eigene Plattenfirma Radiant Records erhältlich.
Keine Wertung
3. April 2013 Sebastian Mack