Es dürfte sich mittlerweile rumgesprochen haben, dass NEAL MORSE seine Prog-Vorzeigebands Spock’s Beard und Transatlantic im Jahre 2002 aus religiösen Gründen verlassen hat. Seitdem ist er ja auf verschiedensten Solopfaden unterwegs: Neben den in schöner Regelmäßigkeit veröffentlichten Prog-Trips, gibt es natürlich weiterhin auch Alben, die eher die Singer-/Songwriterseite beleuchten und im Gesamtsound sehr an Popmusik erinnern. Das ist soweit nichts Neues – denn abgesehen davon, dass sich nun auch durch diese Veröffentlichungen christliche Lyrics ziehen, hat sich eigentlich nichts geändert.
Allerdings gibt es mittlerweile noch eine dritte Sparte, die Neal ab jetzt wohl regelmäßig bedienen wird: Christliche Texte eingebettet in auch wirklich christliche Musik, sprich Songs, die am ehesten an amerikanische Traditionals aus dem Bereich der Gospels und Spirituals erinnern. Dafür hat er sogar ein zweites eigenes Label gegründet. Neben Radiant Records (für die Prog-Angelegenheiten) gibt es jetzt Latter Rain Records, speziell für christliche Musik.
Die zehn Songs, die sich auf „Lead Me Lord“ versammeln, entstanden recht spontan in Neals Studio. Zusammen mit Freunden aus seiner Kirchengemeinde hat er ein paar Eigenkompositionen eingespielt und mit bekannten Worship-Songs gemischt. Schnell und einfach produziert, ohne großes Schnickschnack und Overdubbing. Heraus gekommen sind satte 65 Minuten „Unterhaltung“, die er wohl hauptsächlich für die Verwendung in der eigenen Gemeinde zusammengestellt hat. Allerdings hat er das Album auch auf seiner ersten „Acoustic Worship“-Tour durch Europa im Jahr 2005 mitgebracht. Gegen eine kleine Spende konnte man das Album bei diesen Veranstaltungen erhalten. Wer damals nicht dabei war, hat die Möglichkeit, das Album in Deutschland beim Worship-Spezialisten Asaph-Musik zu erwerben (www.asaphshop.net) oder es beim Prog-Versandhandel „Just For Kicks“ (www.justforkicks.de) zu bestellen.
Natürlich ist der Kreis der Interessenten für eine solche Veröffentlichung eher klein, weshalb das Album wohl auch nicht groß vertrieben wird. Dennoch gehört es für mich in jede gutsortierte Neal Morse-Sammlung. Denn auch auf „Lead Me Lord“ blitzt so manches Mal die Magie des Neal’schen Soundkosmos durch. Seine Stimme passt hervorragend zu den überwiegend ruhigen, besinnlichen Kompositionen. Besonders himmlisch kommen die Passagen rüber, in denen Neal von einer weiblichen Sängerin unterstützt wird. Bei „Have Your Way“ gibt Neal den Gesang dann auch mal völlig ab, eine absolut fantastische Nummer. Auf instrumentaler Ebene passiert hier natürlich nicht allzu viel, was irgendwo logisch ist, wenn man das Genre bedenkt.
Dennoch ist das Album für all diejenigen interessant, die keinerlei Probleme mit Neals stark christlichem Background haben. Für alle die, die gläubig sind und sich eher dem freikirchlichen Lager zugehörig fühlen, dürfte das hier genau die richtige Lobpreis-Musik sein. Die Klassiker „I Bless Your Name“, „Breathe“ und „Create In Me A Clean Heart“, hier vereint in einem fast zwölfminütigen Medley (das trotz seiner Länge ausnahmsweise mal so gar nichts mit Progrock zu tun hat), bieten Bekanntes für jedermann aus dieser Ecke, dazu noch hervorragend arrangiert. Seine eigenen Kompositionen stehen den anderen Songs in Nichts nach. Wirklich tolle Musik für gemeinsame Worship-Stunden, Gemeinde-Events oder auch einfach mal, um sich selbst von der schnelllebigen, alltäglichen Welt zu lösen. Bei Songs wie „Taste And See“ oder „Further“ kann man zweifellos wunderbar entspannen. Für die jugendlichen Freikirchler mag die Musik aber etwas zu konservativ und ruhig sein – hier darf keineswegs eine Rockattitüde wie bei deutschen Lobpreishelden, etwa Lothar Kosse, erwartet werden.
Nundenn, ob ihr es glaubt oder nicht: Solche Musik kann sogar tief berühren, zu Ganzkörper-Gänsehaut führen oder einfach nur Wohlgefühl herstellen. Auch wenn das all diejenigen, die mit Christentum und Religion nichts am Hut haben, wohl nicht nachvollziehen können.
Für alle anderen: Kaufen, ihr werdet es nicht bereuen!
In diesem Sinne: I don’t want a nice car, I want you lord! (Neal Morse in „Come Let Him Love You“)
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