Ne Obliviscaris - Exul Cover

Review Ne Obliviscaris – Exul

Die Coronapandemie hat der Musikbranche schwer zugesetzt: Konzerte wurden abgesagt, Studioaufnahmen waren zeitweise nicht möglich und die zuvor schon prekäre finanzielle Lage vieler Kunstschaffender wurde geradezu desolat. Dass NE OBLIVISCARIS die im März 2020 begonnenen Aufnahmen zu ihrem vierten Album abbrechen mussten, sich in Folge wegen der allgemeinen Reiseverbote über den ganzen Erdball verstreut wiederfanden und monetär auf dem Trockenen saßen, war für die Band ihre bislang größte Zerreißprobe. Doch NE OBLIVISCARIS hielten durch und nutzten die Zeit, um „Exul“ weiter zu verfeinern. Vielleicht ist es letztlich auch seiner turbulenten Entstehungsgeschichte zu verdanken, dass dabei ihr bislang dramatischstes Album herausgekommen ist.

Dabei halten NE OBLIVISCARIS sich einmal mehr an ihr außergewöhnliches Erfolgsrezept: In ausgiebigen, aber keinesfalls maßlosen Stücken verschmelzen Extreme und Progressive Metal mit Einflüssen aus anderen Musikrichtungen wie Klassik und sogar Flamenco zu einem grandiosen, formvollendeten Ganzen. Jedes Bandmitglied erbringt auf seinem Gebiet Höchstleistungen, weiß sich aber auch in den richtigen Momenten zurückzunehmen, um den anderen genug Raum zu geben.

Frontmann Xenoyr brüllt erneut wie ein mächtiger Golem und liefert sich fulminante Duette mit Tim Charles, dessen sanfte und doch kraftvolle Stimme ebenso viel Wehmut und Pathos ausdrückt wie sein atemberaubendes Spiel auf der Geige, das schon seit den Anfangstagen der Band eines ihrer Markenzeichen ist. Derweil geben die beiden Gitarristen mal kantige, mal beschwingte Riffs, bedeutungsschwere Soli sowie luftige Akustik-Passagen zum Besten und der inzwischen ausgestiegene Dan Presland zeigt mit deinen punktgenauen Fills und Wechseln zwischen Double-Bass und Blasting noch ein letztes Mal, dass er so ziemlich alles drauf hat, was man sich von einem Metal-Drummer nur wünschen kann.

Auch Neuzugang Martino Garattoni darf seinem Talent über weite Strecken freien Lauf lassen, sodass seine wunderbar verspielten, warmen Basslines wesentlich präsenter als die seines Vorgängers auf den bisherigen Platten sind, was insbesondere in „Misericorde I – As The Flesh Falls“ heraussticht. Besonders fällt jedoch auf, dass NE OBLIVISCARIS rastloser denn je klingen: Aus den Streichern spricht durchwegs eine tiefe Tragik („Graal“), während die Gitarren häufig einen drohenden Ton annehmen. Momente ungetrübter elysischer Schönheit wie in „And Plague Flowers The Kaleidoscope“ („Portal Of I“) oder „Eyrie“ („Urn“) finden sich auf „Exul“ nicht – sogar der lässig schlendernde Blues-Part in „Misericorde II – Anatomy Of Quiescence“ strahlt etwas subtil Beunruhigendes aus.

Der Euphorie, sechs Jahre nach „Urn“ wieder etwas Neues von ihnen zu hören, verpassen NE OBLIVISCARIS mit „Exul“ letztlich einen leichten Dämpfer: Trotz ihres aufwühlenden Wesens und ihrer gewohnt fehlerlosen Umsetzung sind die neuen Stücke an den hohen Maßstäben der Band gemessen doch ein wenig unscheinbar. In das 52 Minuten lange Album haben sich ein paar unwesentliche Längen eingeschlichen („Misericorde II“) und die erstaunlichen Aha-Momente, die insbesondere „Portal Of I“ zu einem unvergesslichen Meisterwerk gemacht haben, fehlen hier. Die vierte Platte der Ausnahmekünstler fühlt sich schlichtweg weniger bahnbrechend und ergreifend als die früheren Veröffentlichungen an. Was für NE OBLIVISCARIS bloß solide ist, können die meisten anderen Metal-Bands jedoch kaum erträumen, und so ist auch „Exul“ für sich betrachtet ein großartiges Werk.

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Wertung: 8 / 10

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