Wenn man eine neue Band gründet, dann hat man meist viele Ideen, die umgesetzt werden wollen, weshalb ein erstes und sogar vielleicht zweites Album nicht lange auf sich warten lassen. Dass eine Black-Metal-Band nach gerade einmal dreieinhalb Jahren Bandgeschichte schon ihr fünftes Studioalbum auf den Markt bringt, ist dann aber doch eher ungewöhnlich. Die 2012 in Schweden gegründeten NAZGHOR haben dieses Kunststück fertiggebracht. Ob das für die Musik oder gegen sie spricht, kann man nun anhand ihres neuen Albums „Death’s Withered Chants“ beurteilen.
Das tatsächlich Beste am ganzen Album kommt hier nicht zum Schluss, sondern gleich zu Beginn: Das stimmige, mit Chören unterlegte Kirchenorgel-Intro „Hymnum Mortis“ beschert der Platte einen atmosphärischen Einstieg, der doofes Grollen, welches sonst genreverwandte Scheiben eröffnet, weit hinter sich zurücklässt. Es folgen neun Black-Metal-Songs, die von tristem Doom bis zur tiefschwarzen Raserei alle Tempi und Stimmungen abdecken. Für Black Metal, selbst für Melodic Black Metal, ist die Musik ungewöhnlich harmonisch und melodisch. Die üblichen Dissonanzen sowie die chromatisch aufeinanderfolgenden Mollakkorde sucht man hier meist vergeblich. NAZGHOR halten sich beim Songwriting überwiegend an die Pop-üblichen, einfachen Moll-/Dur-Harmonien und basteln sich daraus zwar eben eher selten düstere, aber dafür erfrischend wohlklingende, melodische Black-Metal-Songs. Eine Strategie, die inzwischen weitgehend im modernen Post-Black-Metal beliebt ist, aber auch zum Teil von Größen des melodischen Black Metal wie Dissection verwendet wurde, welche tatsächlich klanglich auch gar nicht so weit von NAZGHOR entfernt sind. Besonders zu gefallen wissen vor allem das eingängige, energiegeladene „Under A Venomous Spell“ sowie das an Watain erinnernde „Empire Of Graves“.
Man merkt also: Die Band versteht etwas von Harmonielehre und Musiktheorie – womit sie vielen anderen Black-Metal-Bands tatsächlich schon etwas voraushat – doch das allein reicht natürlich nicht, um ein außerordentlich gutes Album zu produzieren. Die Songs halten alle ein hohes Niveau und machen Spaß, aber es fehlen wirkliche Highlights. „Death’s Withered Chant“, die bittersüße Doom-Ballade am Ende der Platte, hätte ein solches sein können, wäre da nicht der scheußliche Cleangesang.
Negativ fällt leider auch auf, wie unsauber das Album eingespielt wurde. Immer mal wieder schwimmen die Gitarren, treffen Töne nicht ganz sauber oder ziehen ihre Saiten sehr schief und auch der Sänger ist nicht immer ganz im Taktraster. Das muss bei ansonsten so professionell gemachter Musik und beim inzwischen fünften Album nun wirklich nicht mehr sein. Ärgerlich sind zudem Schnittfehler in der Produktion, wenn man merkt, dass einzelne Teile aneinander geklebt wurden, das Ganze aber nicht sauber kaschiert wurde. So beispielsweise bei „Road To Dead Meadows“, bei dem ein solcher Schnitt immer vor dem Refrain hörbar ist.
Trotz dieser kleineren Mängel ist das Album insgesamt ziemlich gut geworden und kann sich qualitativ auch gegen viele andere Black-Metal-Releases durchsetzen.
Man merkt, dass hinter NAZGHOR Musiker stecken, die nicht zum ersten Mal Musik machen, und dennoch kann „Death’s Withered Chants“ letztlich doch nicht ganz mit den Top-Künstlern des Genres mithalten. Das Album ist zweifellos gut, und fünf Alben in weniger als vier Jahren zu veröffentlichen ist eine beachtliche Leistung, aber dennoch sollte die Truppe sich in Zukunft vielleicht etwas mehr Zeit nehmen. Denn ein Album, das wirklich sein gesamtes mögliches Potential ausschöpft, nicht nur einen großen Teil davon, braucht nun mal Zeit. Und wenn NAZGHOR sich diese nicht nehmen, dann werden sie wohl immer „nur“ gut sein. Das ist natürlich immer noch weit über dem, was viele andere Bands schaffen, aber angesichts des offensichtlich massig vorhandenen Talents der Musiker dann doch nicht gänzlich zufriedenstellend.
Wertung: 7 / 10