NAGELFAR aus Deutschland? Die kommen doch aus Schweden, oder nicht? So ungefähr würde fast jede Unterhaltung über eine der besten Black Metal Bands aller Zeiten beginnen, die – im Gegensatz zu ihren schwedischen Kollegen – zumindest aus den Köpfen von Durchschnittsmetallern schon längst verschwunden sind – oder sie haben diese grandiose Band noch nicht erhört. Sowas gehört sich einfach nicht, unerhört zu sein. Aber genug mit den Wortspielchen, jetzt werden hier mal knallharte Fakten dargelegt.
Das Debütalbum der vier Mannen, die sich nach dem Totenschiff von Muspell benannten, beginnt mit einem kurzen, stimmungsaufbauenden „Intro“ um den geneigten Zuhörer mit „Seelenland“ dann gleich mal vom Stuhl zu pusten. Gelungener Auftakt, das denkt sich wahrscheinlich jeder der es etwas extremer mag. Denn, um es vorweg zu nehmen, hier gibt es eben keine musikalische Kost von Naglfar, Cradle Of Filth oder anderen Kapellen, die doch eher etwas massenorientierter zu Werke gehen – nein, NAGELFAR verwenden Härte als Amboss, Melancholie als Zange, Poesie als Material und mit dem Hammer der wirklich guten Melodie schmieden sie ein nahezu perfektes Album.
Schon bei „Seelenland“ erkennt man sofort, dass hier besondere Kost serviert wird. Neben sägenden Gitarren, schnellem Drumming und hasserfülltem Gekreische wird der Song mit Keyboardakzenten abgerundet. Auch finden sich in allen Songs meist stimmungsdienliche Samples wieder, wie zum Beispiel loderndes Feuer. Und nach wenigen Minuten erkennt man sogar, dass NAGELFAR auch im gemächlichen Mid Tempo überzeugen können. Dazu noch Janders herrlicher, cleaner Gesang, der wie eine Spritze Trostlosigkeit wirkt. An Songlängen von 14 Minuten („Schwanengesang“ und „Der Flug Des Raben“) muss man sich natürlich erstmal gewöhnen, aber hingegen dem Gedanken, den jetzt sicher viele in ihrem Oberstübchen zu sitzen haben, ziehen die Deutschen die Riffs nicht unnötig in die Länge, wie es Burzum taten (Monotonie als Stilmittel). Nein, hier gibt es viele rasante Tempowechsel, knallharte Breaks, hymnenhafte Zwischenspiele und völlig überraschende Fragmente, wie zum Beispiel bei meinem absoluten Tipp: „Srontgorrth (Das Dritte Kapitel)“.
Auch die Verwendung deutscher Texte, die sonst – für meinen Geschmack – eher unpässlich sind, kommt dem Album zu Gute. Immerwieder wird man zum Mitsingen verleitet und das Tolle daran ist, dass es keine 08/15-Parolen wie „Black Metal ist Krieg“ sind, sondern viel mehr wirklich poetische Zeilen wie „Der Frühling erstarb auf meinen Lippen“ – ja, Black Metal muss nicht immer böse und gemein sein. Aufgenommen wurde das gute Stück übrigens in Andy Classens Stage 1-Studio, was natürlich ein Garant für einen superben Sound ist. Und das merkt man bei „Hünengrab Im Herbst“ auch.Desweiteren muss man die geniale Arbeit hinter der Schießbude vom Herren A.v. Meilenwald loben, der wirklich für viel Abwechslung sorgt und auch sehr akzentuiert spielt. Geniale Rhytmen, zu denen man entweder seine Birne hin und her bewegt oder auch mal nahezu tanzbare 3/4 Takt Begleitungen, aber wer tanzt dazu schon einen Walzer?
Schade, dass Zorn irgendwann auf die Ideologie von NAGELFAR spuckte und somit den Grundstein für den Niedergang legte. Meilenwald und Jander musizieren zwar immernoch weiter (Graupel, Uruz Nihilum) aber an ein Wunder glaubt eh niemand mehr. Jedoch bleibt „Hünengrab Im Herbst“ ein Meisterwerk in Sachen Wut, Melancholie und Trauer. Wer dieses Album noch nicht kennt, der sollte unbedingt mal reinhören und wer es kennt und noch nicht in seinem CD Regal oder in seiner LP Sammlung stehen hat, der sollte sich zurückerinnern und seine Musiksammlung aufstocken.
Wertung: 9.5 / 10