Review My Dying Bride – Turn Loose The Swans

  • Label: Peaceville
  • Veröffentlicht: 1993
  • Spielart: Doom Metal

Wenn man sich mal die Veröffentlichungsjahre der letzten MY DYING BRIDE Alben anschaut, dann muss man doch irgendwo sagen, dass die Briten mit dem Alter etwas faul geworden sind. „For Lies I Sire“ erscheint jetzt 2009, das sind immerhin drei Jahre seit „A Line Of Deathless Kings“, davor war’s 2004 „Songs Of Darkness, Words Of Light“ und 2001 „The Dreadful Hours“. Zugegeben, im Gegensatz zu manch anderer Band ist das eine ziemlich hohe Veröffentlichungsdichte (die Kollegen von Anathema haben beispielsweise seit 2003 nichts mehr gemacht), aber in ihren Anfangstagen waren die Düstermänner aus Halifax noch produktiver. Gerade mal ein Jahr nach dem Debut „As The Flower Withers“ stand 1993 bereits das Zweitwerk „Turn Loose The Swans“ (verdammt cooler Titel, aber ich mag auch das Wort „Swan“ sehr gerne, ich gebe es zu, es hat aber auch einen wundervollen Klang) fix und fertig in den Läden und mit knapp 58 Minuten ist das auch gar nicht mal so kurz.

Erneut hat das Sextett sieben Songs mit Überlänge aus dem Hut gezaubert, der kürzeste davon knapp fünf Minuten (wobei der auch ein wenig Outro-Charakter hat), der längste über zwölf. Kompakt ist anders, aber kompakt war ja noch nie so der Fall von MY DYING BRIDE im Speziellen oder von Doom Metal Bands im Allgemeinen. Da das auf dem Vorgängeralbum ja schon so gut klappte (wenn man mal vom Intro „Silent Dance“ absieht) entschloss man sich erneut, die Langrille mit „Sear Me“ beginnen zu lassen, da wir jetzt aber 1993 schrieben wurde gerade noch die Jahreszahl auf römisch dran gehängt (also „MCMXCIII“), et voilà. Wobei ich die Namensgebung irgendwie nicht ganz nachvollziehen kann, denn viel hat der Track mit dem von einem Jahr zuvor nicht zu tun (außer vielleicht thematisch, ich muss gestehen mein Latein ist etwas eingerostet und auf „As The Flower Withers“ war der Song noch komplett in dieser Sprache verfasst).

Hier zeigt sich aber auch schon, dass sich in dem einen Jahr eine ganze Menge bei MY DYING BRIDE getan hat, sie entdeckten nämlich Aarons unvergleichliches Gesangstalent. Komplett mit cleanen Vocals wird hier gearbeitet, noch dazu enthält der Song nicht mal eine Gitarre, sondern stützt sich voll und ganz auf Piano und Violine (und gegen Ende noch ein paar sehr episch anmutende Bläser, coole Sache). Mag jetzt wie ein sehr krasser Gegensatz zum ersten Album wirken, das über weite Strecken doch noch sehr ungeschliffen wirkte, jetzt gleich so eine eierlose Nummer abzuliefern. Aber halt, eierlos? Keineswegs. Das Ding enthält zwar keine klassischen Metalinstrumente und schreien und grunzen tut Mister Stainthorpe auch nicht mehr, aber der Song ist trotzdem zu hundert Prozent MY DYING BRIDE, zu hundert Prozent verdammt düsteres, melancholisches, vielleicht sogar verzweifeltes Zeug und zu mindestens hundert Prozent verdammt gut. Auch wenn ein knalligerer Opener eine feine Sache gewesen wäre: Das fängt doch schon mal gut an.

Und auch im Folgenden werden eher die „neuen“ MY DYING BRIDE präsentiert. „Your River“ beginnt mit stark verhallten Akustikgitarren und lässt sich ziemlich viel Zeit, auch hier wieder starkes Kontrastprogramm zum eher ungestümen Vorgänger. Und wieder kommen vornehmlich die cleanen Vocals zum Einsatz. Was jetzt absolut nicht negativ zu bewerten ist, absolut unvergleichlich schaffen die Briten es schon während den ersten paar Tracks eine großartige, dichte, geradezu greifbare Atmosphäre der Düsternis aufzubauen. Ehrlich, dem Ding hier trau ich zu, dass es Glühbirnen kaputt macht, wenn ihr versteht, was ich meine.

Tatsächlich dauert es eine knappe Viertelstunde, ehe „As The Flower Withers“ durchschimmert (zumindest in gesanglicher Hinsicht). Gegen Ende von „Your River“ packt Aaron die extremen Gesangslagen wieder aus und auch hier hat er einen großen Schritt nach vorne gemacht. War er auf dem Debut noch immer sehr heftig unterwegs hat er mittlerweile gelernt akzentuierter zu röcheln und zu growlen. Kurzum: Die ganze Bandbreite der Vokalleistung hat im Gegensatz zur ersten CD ein großen Schritt vorwärts gemacht. Und damit Hand in Hand geht auch eine signifikante Verbesserung was die Songstrukturen beziehungsweise den Spannungsaufbau der selbigen angeht. Schon auf ihrer zweiten CD ist es MY DYING BRIDE gelungen eine ziemlich perfekte Balance zwischen heftigen Parts, ruhigen Abschnitten und einer großen Portion Atmosphäre zu finden. Die Melodien treten mehr in den Vordergrund, allerdings ohne die Stärken in der Rhythmusarbeit zu vernachlässigen. Eine aufgebohrte Produktion tut da ihr übriges, der Sound der Platte ist richtig schön fett.

Und sowieso ist das Ding hier richtig schön rund geworden, das muss man wohl zugeben, wenn die letzten Takte des kongenialen Rausschmeißers „Black God“ (erneut ohne Gitarren und solchen Firlefanz) verklingen. Nach dem doch etwas lädierten Vorgänger ist MY DYING BRIDE schon mit ihrer zweiten CD ein richtig großer Wurf gelungen, ganz ohne irgend welche größeren Makel. Klar, man kann immer noch was verbessern, wenn ich auf „Turn Loose The Swans“ auf irgend etwas deuten müsste, was nicht ganz im Reinen ist, dann wären es wohl die Melodieführung und die Dynamik der Scheibe. Erstere ist zwar schon ziemlich gut, aber wie gesagt doch ein klein wenig verbesserungsfähig. Und was zweiteres angeht… Der Platte fehlt einfach ein richtig hervorstechender Hit, irgend etwas, das einen sofort anspringt und nicht mehr loslässt. „Turn Loose The Swans“ ist zwar richtig schön aus einem Guss, aber eben doch ein bißchen zu sehr, falls ihr versteht, was ich meine. Nichts desto trotz haben MY DYING BRIDE mit ihrem zweiten Album einfach ein sau geiles Stück Doomdeath Metal abgeliefert, Hut ab dafür.

Wertung: 9.5 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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