Es gibt Vieles, worin sich Newcomer von etablierten Bands unterscheiden – eines ist mit Sicherheit die Frequenz, mit der neue Alben erscheinen. Während die „jungen Wilden“ alle ein bis maximal zwei Jahre mit einer neuen Platte um die Ecke kommen, lässt man es als „alter Hase“ oft etwas langsamer angehen. Auch bei der Crossover-Truppe MUNICIPAL WASTE ist dieser Trend abzulesen. Seit mittlerweile 20 Jahren im Geschäft beglückten die Burschen aus Virginia ihre Fans in der ersten Hälfte ihres Daseins noch alle zwei Jahre mit neuem Material, um dann gehörig auf die Bremse zu treten: Auf ihr letztes Album „Slime And Punishment“ musste man stolze fünf Jahre warten – genauso wie auf ihr nun erschienenes siebtes Werk „Electrified Brain“. Kommen die Party-Thrasher aus Richmond allmählich zur Ruhe?
Nein, kommen sie nicht. Die Anarcho-Thrasher treten das Gaspedal noch immer bis zum Anschlag durch und schaffen es, in unter drei – und teilweise gar zwei – Minuten komplette Songs mit intakten Spannungsbögen unterzubringen. An der generellen Ausrichtung von MUNICIPAL WASTE hat sich also auch auf „Electrified Brain“ nichts geändert: Die Band bewegt sich mit Songs wie „Last Crawl“, „Thermonuclear Protection“ oder „Ten Cent Beer Night“ noch immer irgendwo zwischen Thrash Metal, Hardcore und amerikanisch geprägtem Punk – soweit also nichts Neues und Fans können bereits zufrieden sein.
Nun ist „Electrified Brain“ aber auch das zweite Album, das MUNICIPAL WASTE veröffentlichen, seit sie mit Nick Poulos einen zweiten Gitarristen an Bord geholt haben. Inzwischen scheint sich die Band in dieser Konstellation noch wohler zu fühlen, denn sie macht in den neuen Songs selbstbewussteren Gebrauch von den gewachsenen Möglichkeiten. Gab es die dezente Zweistimmigkeit in Nummern wie „Demoralizer“ oder „The Bite“ auch schon auf dem Vorgänger, trauen sich MUNICIPAL WASTE in „High Speed Steel“ oder „Restless And Wicked“ noch mehr. Beide Songs lehnen ungewöhnlich stark in Richtung Heavy Metal und begeistern neben starken Gitarrensoli vor allem durch den gekonnten Einsatz gar nicht mal so versteckter Melodieläufe.
Die übliche Mischung aus ultrapräzisen Hochgeschwindigkeits-Riffs mit infektiösem Groove und dem gewohnt hysterischen Gesang von Tony Foresta wird auf „Electrified Brain“ also um zusätzlichen kompositorischen Tiefgang erweitert. Dadurch klingen MUNICIPAL WASTE nicht plötzlich weichgespült, aber sie fügen ihrem Sound spannende neue Facetten hinzu. Auf „Electrified Brain“ gibt es deutlich mehr Leadgitarre und ein bisschen mehr Melodie als auf früheren Platten der Mannschaft – und das, ohne dass dabei der kompromisslose Grundsound der Truppe auch nur im Entferntesten leiden würde.
MUNICIPAL WASTE klingen auch nach 20 Jahren noch so ungezähmt und angriffslustig wie in ihren Anfangstagen. Als wäre das nicht schon beeindruckend genug, treten die Crossover-Thrasher obendrein nicht auf der Stelle und entwickeln ihren Sound mit „Electrified Brain“ auch noch erfolgreich weiter. Und weil sich diese Entwicklung auf Album Nummer sieben durchweg natürlich anfühlt, läuft die Formation auch keinerlei Gefahr, eingeschworene Fans vor den Kopf zu stoßen. Keine andere Band klingt wie MUNICIPAL WASTE und MUNICIPAL WASTE klingen immer noch verdammt gut.
Wertung: 8.5 / 10