Review Motörhead – Louder Than Noise… Live In Berlin

  • Label: Silver Lining
  • Veröffentlicht: 2021
  • Spielart: Hard Rock

Fast exakt 40 Jahre ist es her, dass MOTÖRHEAD mit „No Sleep ‚til Hammersmith“ ein bis heute legendäres Live-Album veröffentlicht haben … das erste von stolzen 20, die in der ruhmreichen Karriere des unermüdlich tourenden Trios erschienen sind. Dem Touren setzte der Tod von Lemmy 2015 ein Ende, den Live-Alben hingegen nicht: Schon „Clean Your Clock“ (2016) erschien posthum – nun gibt es eine weitere Zugabe.

„Louder Than Noise… Live In Berlin“ heißt das Werk, das nun als CD+DVD-Package erscheint. Und was fällt einem englischen Label beim Stichwort Berlin als erstes ein? Die Mauer, klar. Digital mit MOTÖRHEAD-Logo und -Postern bestückt „zieren“ deren Betonelemente nun das Cover. Dass die Bundeshauptstadt auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung international vor allem mit diesem Symbol der Teilung in Verbindung gebracht wird, macht aus deutscher Sicht betroffen. Andererseits muss man in Anbetracht von Lemmys Weltkriegs-Faible ja froh sein, dass die Wahl nicht auf ein Monument der Diktatur davor gefallen ist …

Hinter dem so unpassenden wie trashigen Artwork verbirgt sich – fast unerwartet – allerdings ein echtes Highlight im an Höhepunkten (nicht nur in Sachen Konzerte) sparsamen Jahr 2021. Zu hören gibt es die Show der „Kings Of The Road“-Tour 2012 im Velodrom, Berlin. In diesem Satz stecken gleich drei erfreuliche Informationen: die Show, „Kings Of The Road“-Tour und 2012. Was daran konkret erfreulich ist, ist schnell erklärt: Anders als die letzten Live-Alben enthält „Louder Than Noise… Live In Berlin“ kein Zusammenschnitt von zwei („Clean Your Clock“, 2016) oder mehr Konzerten („The Wörld Is Ours – Vol. 1“ und “ – Vol. 2″, 2011/12), sondern eine Show: Vom ins Mikrofon geknarzten „Guten Abend – are you doing alright?“ bis zum Brummen der Verstärker nach getaner Arbeit, ungeschnitten, ungeschönt … eben live. Besagte „Kings Of The Road“-Tour bietet sich dafür rückblickend betrachtet geradezu an: Wegen der gespielten Setlist, vor allem aber, weil Lemmy 2012 eben noch fit war – zumindest verglichen mit 2015, als in München das fast etwas pietätlose Werk „Clean Your Clock“ aufgezeichnet wurde.

Unbegreiflich ist hingegen, dass bislang niemand auf die Idee gekommen ist, den Berlin-Mitschnitt von 2012 zu veröffentlichen: Gut gelaunt und schnell in Fahrt rocken sich MOTÖRHEAD durch das Set. Diesem wiederum ist allenfalls die Ignoranz gegenüber allen Alben der letzten zehn Jahre anzukreiden: Nach „I Know How To Die“ vom damals aktuellen Album „The World Is Yours“ (2010) geht es mit „Damage Case“ zurück in die ’80er-Jahre – und zwar für fast den gesamten Rest der Show: Der zweitjüngste Song im Set ist am Ende „You Better Run“ von „March Ör Die“ (1992), der Fokus aber liegt mit vier Songs dieses Albums auf „Overkill“ (1979).

Während man trefflich darüber diskutieren kann, ob MOTÖRHEAD damit ihre Fans nicht unbegründet um ein paar aktuelle Hits bringen, lässt die technische Umsetzung von „Louder Than Noise… Live In Berlin“ kaum zwei Meinungen zu: Der Sound ist glasklar, die Publikumsreaktionen kommen gut zur Geltung und die lässigen Ansagen transportieren die unvergleichliche Atmosphäre einer MOTÖRHEAD-Show ins Wohnzimmer. So bleibt dem Hörer nicht verborgen, dass die Band sich vom wortwörtlich bis unters Dach vollgepacken Velodrom zwischenzeitlich etwas mehr Begeisterung gewünscht hätte – etwa, wenn Phil Campbell den etwas mageren Jubel vor einem weiteren Song nur trocken mit „Who wants to hear a good song? 76 of you? We gonna play it anyway“ kommentiert. Als Spaß am Rande natürlich – die meiste Zeit über geht es vor der Bühne nämlich ordentlich zu. Den Beweis hierfür liefert die DVD-Version von „Louder Than Noise… Live In Berlin“, die in Sachen Bild und Schnitt ebenfalls höchsten Ansprüchen genügt.

Alles in allem wirkt diese Veröffentlichung – das trashige Cover explizit ausgenommen – nicht im Geringsten wie bloßes Ausschlachten von Lizenzrechten und Archivmaterial für einen billigen Release. Natürlich ist die Frage berechtigt, ob es nach einer rekordverdächtigen Zahl an bereits erschienenen Live-Alben und dann auch noch sechs Jahre nach dem Ende der Band wirklich eine weitere MOTÖRHEAD-Live-CD braucht. Im konkreten Fall kann die Antwort jedoch nur lauten: Ja. „Louder Than Noise… Live In Berlin“ ist das Livealbum, das MOTÖRHEAD und ihre treue MOTÖRHEAD-Fanbase verdient haben, auf das aber wohl niemand mehr zu hoffen gewagt hätte. Mit anderen Worten: ein letzter Pflichtkauf.

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Wertung: 9.5 / 10

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