MORTILLERY sind eine der vielen Bands, die während der Retro-Thrash-Welle im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends entstanden sind, aber stets nur die zweite Geige gespielt haben – wenn überhaupt. Das liegt zum einen daran, dass die ganzen Havoks, Eviles und Warbringers einfach zu laut waren und zum anderen, dass MORTILLERY mit ihrem recht generischen Ansatz – angefangen mit dem 2011er Debüt „Murder Death Kill“ – konsequenterweise bisher nicht gegen die hochwertigeren Outputs der stetig wachsenden Anzahl an Konkurrenten anstinken konnten. Dabei haben sich die Kanadierinnen und Kanadier mittlerweile ganz gut gemacht, wie sie auf der neuen, berühmt-berüchtigten dritten Platte „Shapeshifter“ beweisen.
Was MORTILLERY nach wie vor von den meisten anderen Thrash-Kapellen unterscheidet, ist – neben der Vorliebe für selbst in diesem Subgenre als potthässlich durchgehende Cover-Artworks – die Tatsache, dass mit Cara McCutchen eine Frau am Mikro steht. Dies allein ist schon ein Grund zum Aufhorchen, doch McCutchen bietet auch durch den variablen Einsatz ihrer Stimme definitiv Höranreize. Zwar baut sie in praktisch jeden Song Vocals ein, die zum Zeilenende regelmäßig schreiend in Abgründe stürzen, auf eine Funktion als klassischen Thrash-Brüllwürfel lässt sie sich jedoch nicht reduzieren. Ob extrem wütende Shouts, giftiges Fauchen oder gar Ausflüge in den Guttural-Bereich – McCutchen klingt stellenweise so übelgelaunt, dass man meinen könnte, sie käme gleich aus den Boxen gesprungen, um Maulschellen an alle zu verteilen, die nicht mitmachen. Dies wiederum lockert sie immer wieder durch gekonnt ein- und umgesetzten Klargesang auf, der den Tracks auf „Shapeshifter“ einen Hauch von Melodie verleihen – manchmal auch wesentlich mehr. Am eindrucksvollsten ist dies im Titeltrack realisiert, in dem die Fronterin in Jekyll-und-Hyde-Manier eine Strophe singt und die andere shoutet, während die Backing-Vocals das Gegenteil tun. Dadurch wird nicht nur das Konzept der Gestaltwandlung kreativ umgesetzt, der Song zeigt mit seinem Full-Break mit unverzerrten Gitarren sowie dem fulminanten Finale auch, dass man innerhalb eines Stücks nicht alles zweimal spielen oder ein Solo ans andere reihen muss, um im Thrash Metal auf eine Länge von knapp sechs Minuten zu kommen, und macht ihn somit zu einem der stärksten auf „Shapeshifter“.
Ein weiterer Anreiz von MORTILLERY ist der in diesem Genre zwar alles andere als unübliche, bei dieser Truppe jedoch überdurchschnittlich hohe NWoBHM-Einfluss. Während der Gesang bereits melodische Akzente setzt, wird dies durch die Gitarrenarbeit zusätzlich unterstützt. Tracks wie „Age Of Stone“, das mit seiner unkonventionellen Songstruktur überzeugt, „At The Gates“ mit seinem coolen Lead oder „Wendigo“ klingen dadurch hier und da wie Iron Maiden auf ganz viel Koffein. Parallelen zu Dickinson und Co. entstehen zudem durch den schnarrenden, stets präsenten Bass. Dazu bieten flotte Riff- und Solo-Parts sowie druckvolle Doublebass-Teppiche eine ansprechende Mischung aus Melodie und Raserei. Den typischen Thrash-Move – moderater Einstieg, gefolgt von einem zackigen, den Moshpit eröffnenden Riff und anschließendem Uptempo – haben MORTILLERY mit „Bullet“ allerdings auch in petto, ebenso wie genretypische Lyrics über nukleare Katastrophen im starken Opener „Radiation Sickness“. Mit „Mantis“, das über einen „The-Four-Horsemen“-mäßigen Einstieg verfügt, begeben sich die Nordamerikaner gar in Black-Thrash-Gefilde inklusive Blastbeats.
Abgerundet von einem erdigen Live-im-Studio-Sound, der zwischen den ganzen perfektionierten Hochglanz-Produktionen der letzten Jahre durchaus erfrischend wirkt, zeigen MORTILLERY, dass sie sich seit ihrem Debüt deutlich weiterentwickelt haben: „Shapeshifter“ ist eine kurzweilige und verhältnismäßig melodische Thrash-Metal-Scheibe, die neben den genreüblichen Trademarks und Old-School-Flair genug Abwechslung bietet, um vom ersten bis zum letzten Song unterhaltsam zu bleiben.
Wertung: 7.5 / 10