An der Mischung aus Metal und Klassik versuchen sich immer mehr Bands. Während es salonfähig geworden ist, die eigenen Songs leicht zu verändern und – wie etwa Metallica mit „S&M“ als berühmtestes Beispiel – mit einem Orchester zu kombinieren, verfolgen MOLLLUST einen komplexeren Ansatz: Mit ihrem selbstbezeichneten „Opera Metal“ wollen sie zwischen Metal und Klassik wandeln, die beiden Genres zu einem verschmelzen. „Mother Universe“ heißt das dritte Album der Band um Mastermind Janika Groß und groß sind auch die Ambitionen: In 75 Minuten geht es auf eine Reise durch das Universum.
MOLLLUST wollen hoch hinaus und eröffnen die Reise durch unser Sonnensystem beim Mittelpunkt, der Sonne. Mit „Sun – Journey Of Icarus“ zeigt die Band auch gleich, dass die Melange beider Welten ein Kernpunkt der Musik ist: Pianoklänge und dramatische Streicher bekommen sogleich Gesellschaft von treibenden Drums, Gitarren und Bass, das gewaltige Orchester und damit das klassische Element bestimmen aber den Sound. Insgesamt elf Instrumentalisten und ein zehnköpfiger Chor sorgen stets für eine breite Klangwand, ständig passiert etwas und MOLLLUST zeigen immer, dass sie eine große Truppe sind. Die Leipziger vollbringen dabei fast immer das Kunststück, miteinander zu musizieren und als beeindruckende Einheit zu agieren, selbst wenn es mal wilder wird. Tatsächlich sind MOLLLUST auch am besten, wenn sie sich als Einheit auf Elemente der klassischen Musik konzentrieren und die Rock- und Metal-Instrumente unterstützend agieren. Anders als Ikarus übertreiben es MOLLLUST aber nicht und wissen, dass ruhige Momente und Verschnaufpausen gesetzt werden müssen und verbrennen sich dadurch nicht ihre Flügel.
Über diesem zumeist dramatischen Klangkonstrukt übernimmt Sopranistin Janika Groß (u. a. Haggard) die gesangliche Führung und macht das höchst souverän und mit viel Selbstbewusstsein. Sicher wird sie mit ihrem Gesangsstil nicht den Geschmack jedes Metallers erreichen, mit ihrem klassischen Gesang kann sie aber durchweg überzeugen. Meist agiert sie in sehr hohen Tonlagen, beim ruhigen „Venus – Poems Of Love“ etwa gefällt sie auch emotional im mittleren Stimmbereich. Zudem ist hier das Duett mit Frank Schumacher gelungen, der bei mehreren Songs als unterstützende männliche Stimme auftritt.
Aber warum nun „Opera Metal“ und nicht „Classical Metal“? MOLLLUST erzählen auf „Mother Universe“ eine Geschichte, beim Hören entsteht vor dem inneren Auge ein gesungenes Schauspiel auf einer Theaterbühne mit mächtiger, orchestraler Begleitung. Lyrisch bewegen sich MOLLLUST zwischen der römisch-griechischen Götterwelt (nach der die Planeten benannt sind) und aktuellem Zeitgeschehen. „Earth – Beauty Of Diversity“ etwa ist gerade in Zeiten der Fußball-WM in Katar ein zeitloses Statement für kulturelle Vielfalt. Jeder Planet und jeder Song darf seine eigene Charakteristik entwickeln. Deutlich wird dies beispielsweise beim Vergleich zwischen dem zerbrechlichen, leichten „Venus – Poems Of Love“ und dem brachialen „Mars – The Game Is Over“ mit dominanten Bläsern und ganz dickem, breiten Klang.
„Mother Universe“ ist eine unfassbar abwechslungsreiche, vielschichtige musikalische Reise über gewaltige 75 Minuten. Trotz der großen Diversität schaffen es MOLLLUST, das Album als großes Ganzes wirken zu lassen: Dafür sorgen die „Cosmic Promenade“-Zwischenspiele als verbindende Elemente zwischen den Songs sowie sich wiederholende Themen. Das abschließende „Cosmic Epilogue“ greift Elemente des Albumanfangs wieder auf und schließt somit wunderbar den Kreis. Da neben dem Songmaterial auch die Produktion exzellent und wunderbar differenziert gelungen ist, empfiehlt sich „Mother Universe“ vor allem – und fast ausschließlich – für konzentrierte Stunden unter Kopfhörern. Das ist kein Album zum Nebenbei-Hören, sondern eine Platte für bewussten und aufmerksamen Genuss. „Mother Universe“ ist eine musikalische Großtat für ein kleines, spezielles Publikum.
Wertung: 9 / 10