MOGWAI sind bekannt für ausladende Songstrukturen, experimentelle Ansätze und verträumt-vertrackte Melodien. Spätestens mit „Hardcore Will Never Die, But You Will“ entfernten sie sich immer weiter von ihren Post-Rock-Wurzeln und schufen ausladenden Platz für die elektronischen Momente. Im Jahr 2016 besinnt sich die Band abermals auf ruhigere Momente und veröffentlicht mit „Atomic“ einen weiteren Soundtrack zum Film von Mark Cousins.
Mit Soundtrack-Kompositionen konnten sich die Schotten mittlerweile weitgehend etablieren. In der Vergangenheit untermalten sie unter anderem die Dokumentation „Zidane“ oder die französische Mystery-Serie „Les Revenants“. Die Thematik der grundlegenden Bilder in „Storyville: Atomic – Living In Dread And Promise“ ist komplexer und vielschichtiger, aber vor allem erdrückender als das bisher vertonte Filmmaterial. Es werden Archivaufnahmen über das nukleare Zeitalter gezeigt, die sich mit Hiroshima, den Drohgebärden während des Kalten Krieges oder der Reaktorkatastrophe in Fukushima beschäftigen. Die Musik des Quartetts war bisher fast durchgängig von prägnanten Strukturen geprägt, die sich vorrangig aus einem Zusammenspiel von lauten und leisen Tönen, aber auch zielsicherer Gitarrenarbeit formierten. Diese bekannten Wege verlassen MOGWAI mit „Atomic“ nahezu vollständig. Die Keyboards rücken dabei in den Vordergrund und agieren fast durchgängig als Hauptmelodiegeber. Was aber deutlich prägnanter hervorsticht, ist der Einsatz von neuen Einflüssen und Instrumenten fernab des eigentlichen Stils.
So kommen in „Ether“ kraftvolle Pauken zum Einsatz, die von Streichern umrahmt werden. „Bitterness Centrifuge“ besticht durch verträumte Keyboard-Passagen, während „U-235“ Wave-Anleihen auffährt und in Anteilen an die legendären Kraftwerk erinnert. „Are You A Dancer?“ nutzt als Stilmittel eine Erhu, die chinesische Röhrenspießlaute. Grundsätzlich ist nichts wirklich vorhersehbar, was im Rahmen von „Atomic“ und seinen circa 43 Minuten Laufzeit geschieht. Es zeigen sich unverhoffte Drum-Schläge, die nach einmaligem Einsetzen auch wieder verschwinden. Synthesizer bahnen sich sphärische Wege durch die größtenteils düstere Grundstimmung, die zur vorliegenden Thematik hervorragend passt. Auch rockigere Momente werden einem geboten, die vor allem in den letzten vier Songs aufblitzen. Ein roter Faden zieht sich also stimmungsmäßig durchaus durch dieses Soundtrack-Release, das von Vergänglichkeit, Gefährdung, Atomwaffen, Vernichtung, Qualen und Tod erzählt. Dabei bedienen sich MOGWAI wieder einer komplett instrumentalen Herangehensweise und zelebrieren durch die zugehörigen Songtitel ein Kopfkino, das durchaus zum Nachdenken anregen und schockieren kann. Mit der Filmvorlage sollten diese Bilder sich nochmals stärker manifestieren können und dem Grauen im wahrsten Sinne ein Gesicht geben. Aber auch unter rein musikalischen Aspekten funktioniert dieser Soundtrack nahezu tadellos.
Für den Mainstream wurden diese Kompositionen sicherlich nicht erschaffen, doch diese uns alle umgebende Bedrohung im Post-Rock und dessen Dunstkreis zu vertonen, macht „Atomic“ zu einem bewunderswert ehrlichen Release. An Ideen und deren Umsetzung mangelt es dem Release in keinster Weise. Wie sich eine langjährige Geliebte verändern kann, so haben sich auch die Schotten gewandelt. „Atomic“ bedient diese zwei Gesichter der Band in authentischer Weise. Wer also elektronisch-instrumentaler Musik mit rockigen Randnotizen gerne sein Gehör schenkt, der wird von MOGWAI mit hochkarätigen zehn Songs belohnt.
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Wertung: 8.5 / 10