Eine Millionen Tote und Verwundete. Erschossen, von Granaten zerfetzt, im Schlamm der Schützengräben elendig verreckt; nur begleitet von unzähligen Läusen, Ratten und dem Sterben der Kameraden. Die Schlacht an der Somme im Norden Frankreichs (1916) war die verlustreichste des gesamten Ersten Weltkriegs. Die britisch-französische Großoffensive gegen die deutschen Stellungen, die im Juli mit einem siebentägigen (!) Trommelfeuer und Giftgasoffensiven begonnen hatte, wurde Mitte November abgebrochen. Irgendeine militärische Entscheidung hatte sie nicht herbeigeführt.
MINENWERFERs Versuch, das Grauen irgendwie in Töne zu packen, wählt dabei den einzig angemessenen Weg: atonale, gnadenlose Vernichtung. Waren auf dem Vorgänger „Alpenpässe“ noch Rückzugsorte für düstere, nachdenkliche Melodikausflüge vorhanden, so bietet das Schlachtfeld an der Somme nun keine Deckung mehr. Die Melodik mag noch am Leben sein, aber sie flüchtet in den Schützengraben und wagt es höchstens einmal in einem kurzen Lead oder einem prägnanten Basslauf, ihr Gesicht über die schützende Schlammwand hinauszustrecken. Dazwischen regiert das Trommelfeuer. „Feuerwalze“, der Titeltrack, zelebriert diese Taktik mustergültig. Die einzige Verschnaufpause bietet eine kurze Tonaufnahme eines Veteranen, doch das bayerische „Dös halt der stärkste Mann nit aus!“ lässt ahnen, was folgt: ein erneuter Sturmangriff. Das schmerzerregende Gekreische von Generalfeldmarschall Kriegshammer (Humor haben die Amerikaner durchaus, wenn auch nicht unbedingt subtil) tut sein Übriges, um die Flugbahn der Granatsplitter mental nachzuvollziehen.
Wenn in der Nacht die Artillerie kurz verstummt, nehmen MINENWERFER das Tempo doch einmal heraus, ohne dabei aber in irgendeiner Form leichter verdaulich zu werden („Nachtschreck“). Das trennt die Band von den aktuell so beliebten Kanonenfieber, deren stark erzählend-historisierende Herangehensweise hier in Schlamm und Blut steckenbleiben würde. Stattdessen konzentrieren sich MINENWERFER auf das unübersichtliche Schlachtengeschehen, das jeder sinnvollen Geschichtserzählung spotten würde. Und plötzlich kommt dann doch eine Melodie daher, so unwirklich sie auch klingen mag („Sturmtruppen III“).
Einziger Wermutstropfen ist die dumpfe, verwaschene Produktion. Zwar ist es in diesen Zeiten absolut totproduzierter und hyperakkurater Extremmetalproduktionen eine Wohltat, ein Schlagzeug zu hören, das einfach nur sein Vernichtungswerk vollzieht. Dennoch gehen zu viele spannende Details gerade in der Gitarrenarbeit unter. Denn diese unterscheidet MINENWERFER fundamental von Mitbewerbern im kriegerischen Gewerbe wie Endstille und Konsorten. Die Anknüpfungspunkte sind eher die „Panzerlieder“ auf Marduks „Plagueangel“.
MINENWERFER gelingt mit „Feuerwalze“ ein überzeugendes, packendes und verstörendes Genrehighlight im momentan hart umkämpften Sektor der Bands, die sich mit dem Ersten Weltkrieg auseinandersetzen. Die Zurückdrängung der Melodien, die die „Alpenpässe“ noch zugänglicher gemacht hatten, ist eine gelungene Entscheidung und trägt wesentlich zum gnadenlosen Charakter des Albums bei. Auch der Abwechslungsreichtum hinsichtlich des Tempos und die atmosphärischen Samples erlösen nicht von der verstörenden Stimmung, die das Gehörte verbreitet. „Du hast ja immerhin noch Arme“, muntert ein Soldat seinen Kameraden auf, dem gerade die Beine zerfetzt wurden. „Denk an dein Mädel!“ Geschmacklos? So geschmackvoll wie ein monatelanges, sinnloses Abschlachten im Schlamm eben sein kann.
Wertung: 8.5 / 10
Ich finde es bedenklich, dass jeder heutzutage alles bedenklich findet. Musik ist Kunst und Kunst sollte frei von Zensur oder sonstigem Einschnitt sein. Dazu zählt auch euer, mittlerweile nicht mehr nur typisch deutsche, „sollte man das gerade tun“ Gerede.
Ja, er sollte diese Musik bringen. Immer ist irgendwo Krieg. So what, lass die doch musizieren über was sie wollen. Nur weil man dann diese Musik hört ist man noch lange kein Putin Freund. Oder allgemein ein Kriegstreiber.
Es würde euch gut tun mal mehr an die Luft zu gehen und nicht alles, wirklich alles an den Pranger zu stellen. Heutzutage muss echt jeder fragen ob dies oder jenes (gerade) angebracht wäre.
Kranke Welt. Kranke Gesellschaft. Es regt einfach nur noch auf.
Kann man doof finden, dass Leute ne andere Meinung haben, aber pauschal „alles“ und „jeden“ abzuurteilen, der ggf. ne kritische, differenzierte Betrachtungsweise auf gewisse Dinge hat, ist jetzt auch nicht gerade ein erstrebenswerter und sinnvoller Ansatz, finde ich.
absolut dämlich, in diesen Zeiten so einen bullshit zu produzieren.
wenn die Protagonisten Krieg so toll finden: jacke an und ab an die Front.
ein weiterer grund, warum metal nicht nur tot sondern mega tot ist.
Ich weiß nicht genau, wie Du darauf kommst, dass Metal „tot“ sei und ich bin mir auch nicht sicher, ob diese Band Krieg tatsächlich für erstrebenswert hält. In einer Sache bin ich aber bei Dir: Ich finde es nicht nur in diesen Zeiten etwas schwierig, Krieg als (einzigen) Aufhänger für seine Musik zu verwenden. Und der Autor spricht ja selbst vom „momentan hart umkämpften Sektor der Bands, die sich mit dem Ersten Weltkrieg auseinandersetzen.“ Ist das jetzt ein Ding? DAS finde ich bedenklich – Kanonenfieber sind glaube ich die aktuell populärste Band, die sich angebliche „Information“ oder „Aufarbeitung“ (vielleicht nicht der treffendste Begriff) auf die Fahne geschrieben hat. Aber es scheint mir, als sei „Kriegserfahrung aus dem 1. Weltkrieg“ auf dem besten Weg, das aktuellste Gimmick dieser Szene zu werden, weshalb sich Bands ja aktuell auch zu überschlagen scheinen, hier das möglichst düsterste Werk abzuliefern. Und das wird der Sache nicht annähernd gerecht.