Der Duisburger MICHAEL BORMANN bezeichnet sich selbst als kamerascheu, mag es im Privatleben nicht, in der Öffentlichkeit zu stehen und fotografiert zu werden. Etwas paradox, beachtet man den Umstand, dass Bormann in der europäischen Hard Rock und Heavy Metal-Szene und sogar weit darüber hinaus einer der gefragtesten Sangeskünstler überhaupt ist. Unterstrichen wird diese Aussage von sagenhaften fünf Grammy-Nominierungen, die er bei der 50. Verleihung als bester männlicher Solo Rock-Artist bekommen hat. Nach der schmerzlichen Trennung von Jaded Heart im Jahr 2004, rückte er seine Solo-Karriere wieder in den Fokus und nahm 2006 das zweite Solo-Album „Conspiracy“ auf. Das nun vorliegende „Capture The Moment“ vervollständigt das Diskographie-Trio und wurde bereits heiß von den Hard Rock-Legionen erwartet.
Was man sich von der frisch aus dem Presswerk kommenden Scheibe tatsächlich erwarten kann, offenbart sich schon nach wenigen Minuten und den ersten Tracks „When Push Comes To Shove“ und „Friends For A Lifetime“. Hat MICHAEL BORMANN nicht den Soundtrack für Das A-Team gemacht? Nicht? Dann für eine andere einschlägig bekannte Action-Serie aus den ’80er Jahren? Auch nicht? Verdammt, dazu würde der Opener nämlich wie B.A. Baracus‘ Faust aufs Auge eines schnieken Bösewichts passen. „Friends For A Lifetime“ besingt stattdessen die Ewigkeit, Solidarität und Freundschaft, fährt eher die im Tempo gemäßigte Schiene und taugt eigentlich schon fast zur Hymne.
Hier wie dort besticht MICHAEL BORMANNs atemberaubender Gesang, der zwar vereinzelt zu glatt produziert erscheint, hauptsächlich aber einfach nur beeindruckend ist. Man könnte jetzt mit gutem Gewissen behaupten, dass die Scheibe durchgehend auf hohem (vielleicht ja wieder Grammy-würdigen?) Niveau bleibt, darf dabei aber nicht die Hälfte der Wahrheit verschlucken. Faktisch beinhaltet „Capture The Moment“ nämlich 14 Titel mit einer Gesamtspielzeit von etwas mehr als einer Stunde. Trotz – oder gerade wegen? – dieser stattlichen Dauer stellt man gegen Ende leichte Ermüdungserscheinungen fest.
Für den Namen MICHAEL BORMANN stehen aber auch immer wieder Gastauftritte hochklassiger Musiker – in diesem Fall Lanvall und Sabine Edelsbacher auf dem Song „Glory & Pain“. Lanvalls Solo ist, in gewohnter Weise, wieder über jeden Zweifel erhaben, Sabines Stimme lässt sich aber die meiste Zeit über nur erahnen – schade! Warum man beispielsweise nicht einfach ein Duett auf die Ballade „Love Is Magic“ gepackt hat, ist für mich nicht ganz nachvollziehbar – schmälert aber die Klasse des Lieds an sich keinesfalls.
Und wo wir gerade bei der Klasse wären: in welche Klasse dürfen wir MICHAEL BORMANN mit „Capture The Moment“ denn eigentlich einordnen? Zweifelsfrei in die oberste des melodischen, nicht knochenharten Hard Rocks. Als Begründung dürften sowohl seine songschreiberischen Qualitäten, als auch seine musikalischen herhalten – ob diese nun mit dem einmaligen Gesang, dem Gitarrenspiel oder dem Gesamtwerk an sich in Erscheinung treten. Dazu kommt noch, dass er als Produzent nicht nur ein Händchen für die Musik, sondern auch die Vermarktung dahinter hat. Abwechlsung bietet „Capture The Moment“ – mit straight-rockenden Parts, sich balladesk schlängelnden Melodiehöhepunkten, einer kompletten Akustiknummer („Go Going Gone“) und immer wiederkehrenden Sternmomenten des Gesangs – genügend und damit wohl auch all das, wovon der Freund des melodischen Hard Rock träumen kann und mag. Das Evergreen-Potential liegt bei diesem Stück gepresster Musik so hoch, wie schon lange nicht mehr bei einem klassischen Hard Rock-Album.
Wertung: 9 / 10