Cover MENTAL CRUELTY

Review Mental Cruelty – Zwielicht

Zwei Jahre nach dem zurecht gelobten Szene-Benchmark „A Hill To Die Upon“ legen die Baden-Württemberger von MENTAL CRUELTY ihr viertes Album „Zwielicht“ vor. Veröffentlichten sie den Vorgänger noch bei Unique Leader Records, wechselten die fünf Herren um Neuzugang Lukas Nicolai zwischenzeitlich zum deutschen Flaggschiff Century Media Records, in dessen Bandkatalog die Symphonic-Deathcore-Walze fast Exotenstatus genießt, immerhin reihen sich MENTAL CRUELTY sich als einzige deutsche Band diesen Formates neben die Publikumslieblinge von Lorna Shore und Ov Sulfur aus Amerika ein.

Die Süddeutschen eröffnen „Zwielicht“ mit dem atmosphärischen instrumentalen Stück „Midtvinter“, dessen Zauber in den Geräuschen von dahin plätschernden Regen, lauten Donnerhallen im Hintergrund und den sich darin eingebetteten, langsam aufbauenden symphonischen Motiv liegt, dass schlussendlich in den ersten Track „Obsessis A Daemonio“ mündet. Wen dessen Blastbeat-Attacken zu schnell in die Knie zwingen, wird mit dem folgenden, geradlinigeren Track „Forgotten Kings“ zum Luft schnappen kommen, was bei MENTAL CRUELTY allerdings flott geschehen muss, immerhin reihen die Baden-Württemberger bekanntermaßen ein Deathcore-Schwergewicht an das nächste.

So folgt mit „Pest“ nicht nur der erste Track mit dem derbsten Pig Squeal, sondern auch der erste Song, der mit gewaltigen Slam-Riffs und, im Gegensatz dazu, einem epochalen, vom Gesang getragenen Outro aufwartet – eine ungeahnt gigantische Nummer, die nicht das einzige Highlight von „Zwielicht“ bleiben soll.

Nach „Nordlys“, dessen melodischer Refrain direkt zum Mitgröhlen einlädt, folgt mit „Mortal Shells“ wieder eine dieser Hirn zermarternden Nummern, die in den einem Moment den Krawall suchenden Ork vor den Mauern Minas Tiriths in dir hochkommen lässt, nur um dich wenig später wie einer der Reiter Rohans fühlen zu lassen, der voller Tatendrang zur Verteidigung der Stadt eilt. Da kommt der akustische Titeltrack mit dem eindringlichen Klargesang in deutscher Sprache genau richtig, um die Gedanken neu zu ordnen.

Mit „Symphony Of A Dying Star” legen MENTAL CRUELTY einen leichter zugänglichen Track vor, dessen weniger ausgetüftelte Orchestrierung gemeinsam mit dem eingängigen Mittelteil dafür sorgt, dass man als Hörer einfach mal den Nacken kreisen lassen kann, ohne abrupte Motivwechsel fürchten zu müssen.

Der straighte, schnörkellose Nackenbrecher „The Arrogance Of Agony“ leitet als vorletzter Track das nahe Ende von „Zwielicht“ ein, welches mit dem längsten Song des Albums, „A Tale Of Salt And Light“, beschlossen wird. In den folgenden sieben Minuten führen MENTAL CRUELTY nochmals alle Trademarks vor, die „Zwielicht“ zu dem starken Album machen, was es ist: Drumming und Riffing in Schallgeschwindigkeit treffen auf abbremsende Slam-Momente, ein Gitarren-Solo durchbricht die tragende Symphonie und dazwischen schreit, keift und singt Nicolai mal dramatisch, mal fordernd, aber durchweg überzeugend.

Schwarz gefärbter und orchestral untermalter Deathcore erlebt aktuell eine Hochkonjunktur, die mit solchen Alben wie „Zwielicht“ schlichtweg gerechtfertigt ist. In 49 Minuten Spielzeit loten MENTAL CRUELTY jede Möglichkeit aus, die ihnen ihr Genre gibt, ohne dabei generisch, überladen oder sich selbst kopierend zu klingen. Dieses Album zu hören, macht gigantischen Spaß, für Deathcore-Fans allemal, für Tech-Death-Hörer und nicht zu puristisch eingestellte Black-Metal-Fans aber auch.

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Wertung: 9.5 / 10

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4 Kommentare zu “Mental Cruelty – Zwielicht

  1. Auch ein Jahr später noch ein Wahnsinnsalbum, keine Abnutzung, maximal mega, live eine Abrissbirne sondergleichen. Ich weiß nicht, wie man das toppen könnte…

  2. … und vergessen: Was ich noch mega gefunden hätte, wäre ein dezidierterer Vergleich der beiden Sänger, Schmerler und Nicolai, gewesen. Aber das nur so am Rande. Danke für die tolle Arbeit hier und in den anderen Reviews auf jeden Fall. Ich lerne gerade Slam- und Djent-Riffs unterscheiden!

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