Als Gründungsmitglied und Keyboarder der Neoprog-Combo IQ wurde er in den Achtzigern bekannt, jetzt ist er zum zweiten Mal auf Solopfaden unterwegs: Martin Orford. Für „The Old Road“ hat er viele langjährige Kollegen ins Studio eingeladen, um sein endgültig letztes Album zu veredeln – denn nachdem er im letzten Jahr seinen Posten hinter dem Keyboards bei IQ aufgegeben hat, möchte er sich Ende 2008 komplett aus dem Musikbusiness zurückziehen.
Auch wenn er selbst das vorliegende Werk nicht als „Progressive Rock“-Aufnahme betrachtet, so macht bereits der beinahe zehnminütige Opener „Grand Designs“ klar, dass Martin Orford hier keine Experimente eingegangen ist, sondern das macht, was er am besten kann: Melodischen Neoprog! Die Besetzungsliste der Platte liest sich dann auch wie das „Who-Is-Who“ dieses Genres: Urgestein John Wetton (King Crimson, Asia, UK) spielt Bass und steuert Gesang bei, Gary Chandler (Jadis), John Mitchell (It Bites, Arena, Frost*), Mike Holmes (IQ) und Steve Thorne übernehmen die Gitarrenparts. Am Schlagzeug sitzt zum einen sein ehemaliger Bandkollege Andy Edwards von IQ, zum anderen Nick d’Virgilio von Spock’s Beard, der gleich seinen Basser Dave Meros mitgebracht hat. Ein Allstar-Lineup, das sich sehen lassen kann!
Als Anspieltipp dieser herrlich ausgeglichenen, charmanten Scheibe empfieht sich vor allem der achtminütige Titeltrack, der klassische Neoprog-Töne mit wunderschönen Fidelklängen von Colm Murphy und folkloristischer Flöte verbindet. Die Ballade „Ray Of Hope“ hingegen gibt sich verträumt, hoffnungsvoll und emotional. Den Gesang übernimmt Martin Orford übrigens hauptsächlich selbst – und dass wir eine ganze Reihe unterschiedlicher Tastenklänge vernehmen, ist Ehrensache.
Viel mehr gibt es zu dieser Platte auch gar nicht zu sagen, was jedoch nichts Negatives bedeutet: „The Old Road“ ist ein Album, dass ein letztes Mal unterhaltsam und gelungen die musikalische Heimat und Vergangenheit des Keyboarders wiederbelebt, ganz ohne Hast, Stress und allzu große Ambitionen – und das ist seine große Stärke. In den Liner Notes zu der Scheibe schreibt Orford, dass er sich im neumodernen England, geprägt von der Globaliserung, dem Internet, Multikulturalismus und sozialen Problemen, nicht zu Hause fühlt. Seine Heimat sei dort, wo man noch Cricket auf der Dorfwiese spiele, wo sich idyllische Country-Pubs fänden und noch Dampflocks durchs Land fahren. Diese Bilder und Motive ziehen sich auch durch das stilvolle Booklet und die Songtexte. Nach diesem Statement erscheint es nur logisch, dass der Engländer keine eigene Homepage und auch keinen Myspace-Account braucht.
Aus dem Musikbusiness zieht er sich zurück, weil er die im MP3-Zeitalter vorherrschende Kultur von „freier Musik“ nicht teilen kann und es seiner Meinung nach dank Internetpiraterie zunehmend schwieriger wird, Alben aufzunehmen. Genau deshalb bedankt sich Orford im Booklet auch ausdrücklich nicht bei all denen, die unrechtmäßig Musik ins Internet hoch oder von dort herunterladen.
Fazit: „The Old Road“ ist ein tolles Statement eines tollen Musikers und ein würdevoller und gelungener Abschied. Neoprog-Freunde und insbesondere IQ- und Jadis-Anhänger packen dieses 60-minütige Abschlusswerk einer langen Karriere ohne zu zögern ein!
Wertung: 8 / 10