Review Maroon – Order

In Sachen Metalcore dreht sich in der Republik das Ost-West-Gefälle um. Die 1998 ins Leben gerufenen MAROON sind dabei zwar nur ein Name von vielen, gehören aber zusammen mit ihren Freunden von Heaven Shall Burn zu den dienstältesten und über die Landesgrenzen hinaus bekanntesten Bands dieses Genres. Nun befinden sich die Straight Edge und vegan lebenden Jungs aus dem Century Media-Kader mit „Order“, ihrem mittlerweile fünften Studioalbum, in den Startlöchern und werden damit, so viel sei schon mal verraten, für ordentlich Gesprächsstoff sorgen.

„Morin Heights“ entführt den Hörer dann auch sogleich in die nächsten 47:11 Minuten MAROON – wenn auch weitaus weniger unvermittelt, als erwartet. Die Sechssaiter werden vom Gitarren- und Namensduo Sebastian Grund und Sebastian Rieche gekonnt, aber ungewohnt harmonisch in die Höhe geschaukelt – ein zwar einfach gestrickter, deshalb aber nicht minder passender Opener. Nicht weniger stimmig geht es mit „Erode“, „Stay Brutal“ und „A New Order“ weiter. MAROON gelingt dabei das Kunststück, eine von Grund auf düstere und finstere Stimmung zu erzeugen, instrumental, sprich: vor allem in Sachen Gitarrenarbeit aber trotzdem ziemlich melodisch zu agieren. An Blast Beats wird auf diesen drei Nummern (stellvertretend für den größten Teil der Scheibe) selten gespart, Ermüdungserscheinungen treten aber trotzdem nicht auf. Frontmann Andre Moraweck (der die Stimmbänder auch schon bei Heaven Shall Burn schwingen ließ) muss in den zwei Jahren seit „The Cold Heart Of The Sun“ scheinbar Unmengen an Aggressionen angestaut haben – in Sachen Gesang zeigt er sich nämlich von seiner bisher besten Seite. In perfekter Symbiose von Gesang und Gitarren geht es anschließend mit „Bleak“ zuerst akustisch weiter. Die trügerische Ruhe währt nicht lange, denn was folgt ist ein stimmiges Wechseln eben jener ruhiger, akustisch Parts und harten, von sägenden E-Gitarren dominierten Momenten. Dieser Kontrast steht dabei beispielhaft für „Order“. Latent fällt zudem noch auf, dass sich die Gitarren-Themen der neuen Langrille (beispielsweise „Wolves At The End Of The Street“ und „Erode“) zumindest in ihren Ansätzen ähneln. Einzeln betrachtet mag das noch keinen großen Sinn ergeben, als Gesamtwerk „Order“ aber schon.

Kommt dann noch ein Marschmusik-artiges Schlagzeugspiel des Herrn Wachsmuth wie auf „This Ship Is Sinking“ und dem kurzen Zwischenspiel „Call Of Telah“, wirken MAROON beinahe schon wie eine vollkommen andere Band, um bei diesen Tracks nicht „episch“ zu sagen. Ein Fehlgriff? Nicht mal im Entferntesten – was bei den eingefleischten Fans womöglich einige Zeit und Durchgänge braucht, um zu zünden, ist nämlich nur ein weiteres Puzzle-Teil der gereiften MAROON und fügt sich nahtlos in das Gesamtbild ein.
Was den, jetzt vielleicht schon langsam verwirrten, Hörer mit „Children Of The Next Level“ erwartet, ist kurz gesagt: Black Metal-Gekeife (hierfür verantwortlich sind die Herren Iblis (Endstille) und sG (Secrets Of The Moon), die einen jeweils sehr hörenswerten Gastauftritt hinlegen und damit den experimentellen Charakter der CD unterstreichen), das von den Gitarren nur noch bekräftigt wird, in einen mörderischen und einen der härtesten MAROON-Songs überhaupt ausartet, bevor er mit Chor und Glockenschlag aus dem Synthesizer endet. Wem bisher noch nicht genug Breakdowns für Spaß im Moshpit vorkamen: „Bombs Over Ignorence“ schafft hier Abhilfe! Am Ende von „Order“ steht mit „Schatten“ ein vollständig in Deutsch verfasster Song. Womit sich Rage zum affigen Silbermond-Verschnitt degradierten, wirken MAROON noch ein Stückchen härter – beide Daumen hoch für Morawecks Leistung. Mit seinen 7:35 Minuten ist „Schatten“ ein Highlight des bisherigen Schaffens der Band, bricht nach einem ruhigen Interlude abermals wie ein Gewitter über den Köpfen der Hörer zusammen.

Ich sags gerade heraus: „Order“ wird Zeit brauchen und sich nur den Wenigsten schon nach dem ersten Hördurchgang erschließen; das ist aber auch vollkommen egal, denn: Geduld belohnen MAROON anno 2009 reichlich. Ich war schwer überrascht, was für ein komplexes, reifes und extrem düsteres Werk die Thüringer mit „Order“ komponiert hatten. In Sachen Songstruktur nahezu perfekt, instrumental wie gesanglich schwer beeindruckend, letztendlich atemberaubend, weil sehr berührend. Deswegen können MAROON mit „Order“ meiner Meinung nach auch nicht mehr nur dem Metalcore zugedichtet werden – dazu werden weitaus zu viele Stile vermischt und, obwohl nicht abwertend gemeint, zu komplex gearbeitet. Ob „Post-Thrash Metal“ zutrifft, sei genau so dahin gestellt. Fakt ist: „Order“ lässt sich in keine Schublade stecken, ist in meinen Augen das bislang genialste Album MAROONs, ihr eigener kleiner Meilenstein. Tut mir, der Band und vor allem euch selbst einen Gefallen und gebt der CD etwas Zeit. Ihr werdet es nicht bereuen.

Wertung: 9.5 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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