Seit 26 Jahre zählen AMORPHIS nun bereits zu den Exportschlagern Finnischen Metals. Wenn sie nicht gerade um die Welt touren, nehmen sie Alben auf, die ihresgleichen suchen – erst 2015 stellten sie mit ihrem Meisterwerk „Under The Red Cloud“ unter Beweis, dass sie ihren Zenit noch lange nicht überschritten haben, sondern sich nach zweieinhalb Dekaden Bandgeschichte gerade in der Hochphase ihres Schaffens befinden. Der ideale Zeitpunkt also und höchste Zeit, dass über diese Band und ihren Werdegang endlich eine Biographie veröffentlicht wird. Mit Markus Laakso hat sich ein alter Freund der Band und langjähriger Musikjournalist dieser Aufgabe angenommen. Das Resultat, schlicht „Amorphis“ betitelt, ist nun in der deutschen Übersetzung bei Edition Roter Drache erschienen.
So schlicht der Titel anmutet, so edel ist das Layout des Buches: Hardcover, goldene Lettern und Prägedruck zieren das Werk, das somit weit über dem Standard für Musiker- und Bandbiographien liegt. Doch nicht nur das äußere Erscheinungsbild weiß zu überzeugen: Bereits beim ersten Durchblättern fällt die stimmige Bildauswahl in den beiden Farbfoto-Abschnitten auf, die Eindrücke aus allen Phasen der Bandgeschichte vermittelt. Wichtiger noch als die Aufmachung: Die Übersetzung von Tina Solda trifft mit ganz wenigen Ausnahmen den richtigen Ton – eine Mischung aus lässigem Erzählstil und sachlicher Sprache, die auf gewollte Flapsigkeit dankenswerterweise verzichtet, so dass sich „Amorphis“ flüssig liest. Auch das ist leider im Musikbiographie-Sektor keine Selbstverständlichkeit.
Die Rahmenbedingungen sind also nahezu perfekt – doch wie steht es um den Inhalt? Los geht es mit einer vergleichsweise ausführlichen Schilderung der Kinder- und Jugendtage aller Gründungsmitglieder. Wer mit der Besetzungsliste der Band nicht wirklich vertraut ist, verliert hier ob der Unzahl an finnischen Vor- und Nachnamen schon mal die Übersicht – auch im weiteren Verlauf des Buches wäre ein Zeitstrahl mit den jeweils aktiven Bandmitgliedern eine nützliche Stütze gewesen, die die Auflistung aller Amorphis-Musiker im Anhang leider nicht ganz zu ersetzen vermag. Da Laakso die Fäden jedoch gekonnt zusammenführt, bleibt die Story – aufmerksames Lesen vorausgesetzt – übersichtlich. Die Anfänge des Metal in Finnland werden hier ebenso beleuchtet wie Bräuche, die heute fast archaisch wirken, obwohl all das so lange gar nicht her ist: Tapetrading, Kassetten überspielen, Promoversand per Post.
Wie bei Musikerbiographien üblich, hangelt sich auch Laakso an der Diskographie der Band entlang – erfreulicherweise reicht „Amorphis“ dabei bis in die jüngste AMORPHIS-Geschichte hinein: Sogar das erst im vergangenen Jahr erschienene „Under The Red Cloud“ findet in dem Buch noch kurz Erwähnung, wenn der Fokus auch klar auf den Anfangstagen von AMORPHIS liegt und die Ausführlichkeit der Berichterstattung ab der Veröffentlichung von „Eclipse“ rapide abnimmt. Chaotische Recordingsessions, Lineupprobleme, Geldprobleme, Alkoholprobleme und Knebelverträge machen dabei den Großteil des Inhalts aus. Dass AMORPHIS beispielsweise auf der Tour zu „Far From The Sun“ (2003, also zwölf Jahre nach Bandgründung) das erste Mal Geld an ihrem eigenen Merchandise verdienen, dürfte sogar den desillusioniertesten Beobachter des modernen Musik-Business noch schockieren – dass Tomi Joutsen bereits nach wenigen Konzerten am liebesten wieder ausgestiegen wäre, zumindest alle AMORPHIS-Fans. Aufgelockert wird das Ganze durch einige lustige Anekdoten, die zwar bisweilen etwas kontextlos aneinandergereiht wirken, das Buch jedoch davor bewahren, all zu trockene Lektüre zu sein.
„Amorphis“ ist eine sehr detailreiche Biographie, die der finnischen Ausnahmeband durchaus gerecht zu werden versteht und mitunter tiefe Einblicke in das Seelenleben der beteiligten Musiker gewährt. Dabei ist „Amorphis“ vielleicht nicht so unterhaltsam, wie manch andere, eher auf witzig gemachte Musiker-Biographie. Dafür kann man „Amorphis“ guten Gewissens als ultimative AMORPHIS-Bibel bezeichnen, die jeder Fan im Schrank stehen haben sollte, der sich neben der Musik auch für den Werdegang der finnischen Ausnahmeband interessiert.
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