Review Mandrake – Mary Celeste

Um den deutschen Nachwuchs im gotischen Bereich muss man sich zur Zeit zumindest quantitativ keinerlei Sorgen machen. In schöner Regelmäßigkeit werden über die gängigen Labels neue CDs veröffentlicht, die immer wieder beweisen, dass die Szene alles andere als tot ist. Zu diesen Truppen kann man, obwohl mit „Mary Celeste“ inzwischen die vierte Veröffentlichung vorliegt, auch die norddeutsche Formation MANDRAKE zählen, welche anno 2007 angeblich eines der „stärksten Gothic-Metal-Alben des Jahres“ (Infotext) in die Läden stellen.

Der Titel „Mary Celeste“ macht jedenfalls schon einmal neugierig und der Gedanke an ein Konzeptalbum erhärtet sich bei der Betrachtung des Artworks: das Cover ziert neben Frontfrau Birgit Lau ein altes Segelschiff, die Rückseite zeigt die Band in Matrosenkleidung, welche ich ungefähr in die Zeit um 1850 einordnen würde. Guter Rat ist in diesem Fall nicht teuer, sondern verlangt nur den Besuch bei den Wikis, und schon weiß man: die Mary Celeste ist ein Segelschiff im ausgehenden 19. Jahrhundert gewesen, welche auf halber Strecke zwischen den Azoren und Portugal von Mannschaft und Pasagieren verlassen aufgefunden wurde. Keiner, der damals an Bord war, wurde jemals wieder gesehen, so dass sich eine probate Geisterschiff-Geschichte ergab, die hier musikalisch umgesetzt wird. Was dabei zunächst auffällt, ist die ungewöhnliche Härte für eine Band, die quasi nur durch Frauengesang getragen wird (Lutz de Putter, Mann an der Gitarre, singt nur recht selten). Die Gitarren erinnern teilweise an „The Deathship Has A New Captain“, dem Debüt von „The Vision Bleak“, kernig langt man in die Saiten und zaubert mitunter sägende Riffs hervor, die gut abgehen. Das Keyboard hält sich erfreulich im Hintergrund, dem Bass wird entsprechend viel Freiraum gegeben und über allem schwebt die ausdrucksstarke Stimme der Frontfrau, welche sich meistens in mittleren Höhen bewegt und selten mal in höhere Gefilde abdriftet. Zurecht, denn die kraftvolle Mittelstimme passt hervorragend zum Gesamtsound von MANDRAKE.

Man sollte bei aller Lobhudelei allerdings bedenken, dass MANDRAKE etwas Zeit einfordert, Zeit, die man benötigt, um sich das Album zu erschließen. Dabei sind die Songs nicht einmal unheimlich verschachtelt, die Strukturen zeigen sich schnell, aber dennoch dauert es eine gewisse Weile, bis die Lieder ins Ohr gehen. Dann freilich ist es jedoch ziemlich schwer, beispielsweise „Crystals Of Forgiveness“, „Adore“ oder den Titeltrack wieder loszuwerden, zu tief setzen sie sich in den Gehörgängen fest. Die nicht ganz so enorme Eingängigkeit würde ich zwar noch nicht als Negativpunkt heranziehen, wohl aber dies, was bei einigen Konzeptalben als Schwachpunkt auftritt: mit zunehmender Dauer werden die Songs immer langweiliger, teilweise verzettelt man sich doch arg in Belanglosigkeiten. Dreizehn Songs sind natürlich auch eine Menge und meiner Meinung nach wäre es nicht unklug gewesen, „Mary Celeste“ einfach auf zehn Songs zu kürzen (zumal auch nur zehn und keine dreizehn Personen an Bord waren ;-) ), so hätte man es vermieden, Füllstücke wie „Solace“ und – leider, leider – „Paralyzed“, gedacht als Pianoballade, insgesamt aber zu inhaltsleer, aufnehmen zu müssen. Somit ist aber auch eine Frage geklärt: es gibt Throne, an denen rüttelt man nicht so leicht, und die Gothic-Szene ist eben auch nicht Metal1.info, denn auch wenn bei Metal1.info jeder Dein bester Freund ist, ist nicht jede Gothic-CD die Beste.

Wertung: 7 / 10

Publiziert am von Jan Müller

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