Review Machine Head – Catharsis

Dass sich Robb Flynn in seiner impulsiven Art ab und zu mal im Ton vergreift, dürfte schon länger bekannt und damit nichts ungewöhnliches sein. Dass er aber Rezensionen wie die des Decibel Magazins auf Facebook postete und dem Rezensenten ein „Fuck you!“ entgegenschmetterte, bereitete den Fans schon vor der Veröffentlichung des neuen Albums „Catharsis“ dann doch große Sorgen. Wer sich seiner Sache sicher ist, der lässt sich doch nicht von einer negativen Kritik aus der Bahn werfen.

Doch die Kritiken häuften sich und auch unter der Hörerschaft machte sich bei den ersten Singleauskopplungen Missmut breit. „Beyond The Pale“ langweilte mit einem banalen Stampfrhythmus, „Catharsis“ zählt mit seinem kitschigen Modern-Metalcore-Mitsingrefrain wohl zu den schlechtesten Liedern im Repertoir der Band. „Bastards“ scheitert als misslungenes Dropkick-Murphys-Folk-Punk-Experiment und „Kaleidoscope“ lässt ob seiner Teenie-Rebell-Lyrics erschaudern. Glücklicherweise gehören diese Singles zu den schwächeren Songs des Albums, sind in gewisser Weise aber tatsächlich repräsentativ.

Gerade der Lyrics-Aspekt fällt auf „Catharsis“ besonders negativ auf. Mag die Intention politische Texte gegen Rassismus, Nazis, White Power, Trump, Xenophobie und dergleichen zu schreiben ja noch so ehrenwert sein: Wer das Ganze so derart infantil und unreif schreibt, der muss damit rechnen, dass ihm das hinterher wieder um die Ohren fliegt. Denn mal ehrlich, wer Zeilen wie „We rise / We fall / And then we come together and / Despise this all / So get your middle fingers in the air / And sing / They can’t ignore us anymore / It’s up to us / So hear me out cause I don’t give a fuck” oder wirres Geschreibsel wie “Gonna fuck your borders, barbed wire dick / Gorge on bullshit, #1 spic / This is an all-black Russian hack, go USA / Trump’s in bed with North Korea / And that just might be gay, come on” für gelungene politische Texte hält, der hat wohl irgendwann vergessen erwachsen zu werden.

Nun muss man fairerweise sagen, dass die harsche Kritik am Album größtenteils politischer Natur ist und aus der konservativ-rechten Ecke stammt. Denn musikalisch ist “Catharsis” zwar ein mäßig begeisterndes Werk, das im Vergleich zu ihrer restlichen Diskographie klar untergeht, jedoch nicht die Komplettkatastrophe, als die sie von vielen bezeichnet wird. Neben den bereits erwähnten Singles tummeln sich vor allem Groove-Metal-Songs mit manchmal mehr, manchmal weniger Groove auf dem mit 74 Minuten Spielzeit überlangen Album, die allerdings nur noch vereinzelt erkennen lassen, wie stark MACHINE HEAD zu „The-Blackening“-Zeiten unterwegs waren. Doch an Groove und Thrash Metal scheinen die US-Amerikaner ohnehin kein großes Interesse mehr zu haben. Stattdessen hat Flynn wohl neuerdings Slipknot und deren Nu-Metal für sich wiederentdeckt. Ein Teil der Songs, wie etwa „Triple Beam“ oder „Grind You Down“, können diese Inspirationsquelle kaum verschleiern. Das Problem dabei ist, dass MACHINE HEAD mit ihrer glattgebürsteten Modern-Metal-Produktion die rohe Härte und Wut eines „Iowa“ fehlt und die Songs damit immer ein bisschen zu behauptet wirken und auf Sparflammenmodus bleiben.

Erstaunlicherweise aber erzielen sie mit ihrer Nu-Metal-Ausrichtung dann letztlich die gelungensten Momente. „Razorblade Smile“, der zweifellos stärkste Track auf „Catharsis“ transportiert tatsächlich die enorme Wut, die Flynn angesichts der Missstände in seinem Land beim Schreiben verspürt haben muss.  Auch „Volatile“, der Opener, brettert trotz eines vergeigten Refrains ordentlich und schlägt in dieselbe Kerbe. „California Bleeding“ punktet umgekehrt mit einem wirklich starken, eingängigen Refrain. „Heavy Lies The Crown“ beweist sich dagegen als musikalisch reifes Stück, das mit seiner düsteren Tragik und seinen starken Riffs die angestrebte Wirkung nicht verfehlt. Hätten sich MACHINE HEAD mehr auf derartige Songs fokussiert, hätte die Platte die nächste gelungene Entwicklungsstufe ihres Sounds darstellen können.

Irgendwo in „Catharsis“ steckt also ein tolles Album, aber man muss es zwischen einer Reihe von bestenfalls soliden, mäßig spannenden Songs suchen. Hätten die Kalifornier die Platte um eine halbe Stunde gekürzt und dabei die ganzen misslungenen Hitsingle-Versuche rausgeworfen, wären die Reaktionen wohl wesentlich milder ausgefallen. So zeigt sich „Catharsis“ aber als inkonsistentes, peinlich getextetes Protest- und Midlife-Crisis-Album, das nicht so recht weiß, was es will und deswegen in der Mittelmäßigkeit versumpft. Wenn Flynn sich nächstes Mal entscheiden kann, was er denn nun machen will und sich vielleicht sogar gänzlich von seinen früheren Wurzeln löst, könnten MACHINE HEAD in neuer Form zu gewohnter Stärke zurückfinden. Als Übergangsalbum weiß „Catharsis“ allerdings leider nur in Teilen zu überzeugen.

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Wertung: 5 / 10

Publiziert am von Simon Bodesheim

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