Lindemann - Live in Moscow Blu-ray CD DVD Rammstein

Review Lindemann – Live In Moscow

Mitte März 2020, als sich herauskristallisierte, dass Live-Veranstaltungen keine allzu gute Idee mehr sind, und Deutschland in den Pandemie-Modus schaltete, luden LINDEMANN zur großen Sause nach Moskau. Wie vernünftig das zu diesem Zeitpunkt war, braucht man nicht zu fragen – nicht zuletzt, da Till Lindemann bereits mit seinen Selbstportraits im Tschernobyl-Sperrgebiet allen gezeigt hatte, was er von „vernünftig“ hält.

Nun können Till und seine Fans, wenn schon sonst keine Konzerte möglich sind, zumindest besagte Show auf Blu-ray anschauen. Zum geselligen Band-Videoabend wird es aber wohl nicht kommen – und das nicht nur aufgrund der Corona-Kontaktbeschränkungen: In einer weiteren wenig vernünftig anmutenden Entscheidung setzte der Rammstein-Fronter im November 2020 seinen Compagnon Peter Tägtgren vor die Tür. Das ist umso absurder, als der schwedische Produzent und Songwriter (Hypocrisy, Pain) für die gesamte Musik bei LINDEMANN verantwortlich zeichnete. Wie auch immer es mit LINDEMANN weitergehen wird – „Live in Moscow“ dürfte zumindest eine Schaffensphase abschließen.

Als Zeugnis dieser fünf Jahre kann sich der Release definitiv sehen lassen: Die Aufmachung der verschiedenen Editionen ist liebevoll, das Menü schick und nach einem stimmigen Vorspann geht es fließend in die bombastisch arrangierte Show über: Multiple Kameras mit teils spektakulären Perspektiven und Bildeffekten bieten ein Heimkino-Liveerlebnis auf höchstem technischem Standard. Dass es sich hier „nur“ um ein Nebenprojekt und nicht etwa um Rammstein selbst handelt, ist vom betriebenen Aufwand her an nichts festzumachen. Wie die Liveshow selbst enthält auch der Konzertfilm einen beträchtlichen Anteil vorgefertigter Videoclips. Anders als bei Jonas Åkerlunds etwas gewollt wirkendem „Paris“-Film sind diese bei „Live in Moscow“ aber durchweg stimmig in das Konzert eingeflochten.

Dass dabei vornehmlich nackte Haut aus dem Intimbereich gezeigt wird, überrascht bei LINDEMANN ebenso wenig wie die Performance selbst. Wie ästhetisch (oder künstlerisch wertvoll) man das visuelle Bombardement mit Geschlechtsteilen findet, ist eine andere Frage. Generell ist die Performance in vieler Hinsicht „Geschmackssache“: Nicht nur unter Pandemie-Gesichtspunkten ist es verstörend, wenn LINDEMANN zu „Allesfresser“ Torten ablecken und ins Publikum werfen oder die Fans mit totem Fisch beschießen – aus heutiger Sicht fast visionär wirkt hingegen die Performance in der transparenten Plastikblase bei „Platz Eins“: Vorher nie gesehen, kennen wir mittlerweile wohl alle die Bilder von „Bubblekonzerten“ als pandemiekonforme Konzertalternative.

All das kann man als völlig überzogenen verachten – oder als perfekt inszeniertes Entertainment abfeiern. Fakt ist: LINDEMANN funktionieren nur so. Denn blendet man das ganze Brimborium aus, bleibt von einigen eingängigen Hits abgesehen am Ende eben doch nur der Industrial Metal, mit dem Peter Tägtgren mit Pain seit Jahrzehnten bestenfalls 500 zahlende Gäste pro Stadt anlockt. Till Lindemanns Texte und Sangeskünste ändern daran eigentlich nicht so viel, dass die weltweite Euphorie um LINDEMANN musikalisch gerechtfertigt wäre. Entsprechend überflüssig ist die Audio-CD: Ohne das aufmerksamkeitsheischende Bildmaterial bleibt „Live In Moscow“ eine eher belanglose Geschichte – zumal der Audiomitschnitt nicht sonderlich viel Live-Atmosphäre vermittelt.

Ob es unter den Besuchern von LINDEMANN „Live In Moscow“ zu Infektionen mit dem Coronavirus kam, ist nicht bekannt – mutmaßlich gab es aber zumindest eine: Der Rammstein-Fronter selbst soll dem Boulevard zufolge wenig später an COVID-19 erkrankt sein. Während er selbst (so überhaupt erkrankt) ohne Spätfolgen genesen zu sein scheint, ist der Zustand des Projekts LINDEMANN ungewiss: Seit der Trennung von Tägtgren veröffentlichte Till Lindemann nur zwei halbgare Coversongs unter seinem vollen Namen. Sollte das Projekt LINDEMANN tatsächlich am Ende sein, hat sich der Moskau-Trip zumindest in einer Hinsicht gelohnt: Ein stimmigeres Abschiedsgeschenk als diesen Konzertfilm hätte die Band ihren Fans kaum machen können.

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Wertung: 8 / 10

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