Weniger ist mehr – diese Redewendung steht in einer Reihe mit zahlreichen vergleichbaren Bauernweisheiten, die manchmal tatsächlich zutreffen, genauso oft aber auch nicht, sodass man eigentlich keinerlei Erkenntnis daraus ziehen kann. Dennoch ist dieser Gedanke dem mittlerweile achten Album „Spectre Abysm“ von LIMBONIC ART geradezu auf den Leib geschneidert – sowohl musikalisch als auch personell. Sieben Jahre nach „Phantasmagoria“ steht Mastermind Daemon nämlich als einziges verbliebenes Mitglied da und der einstige Symphonic Black Metal des norwegischen Projekts wurde stilistisch komprimiert, sodass die orchestralen Elemente weitgehend den metallischen Stilmitteln gewichen sind.
Natürlich mag mancher nun meinen, LIMBONIC ART habe sich dadurch eines erheblichen Teils seiner musikalischen Identität entledigt. Bei einer derart überwältigenden Platte von „weniger“ zu sprechen, würde ebenjener jedoch unrecht tun. Denn obgleich sich die instrumentale Bandbreite nun in etwas engeren Grenzen hält, ist dies der Intensität der Musik überhaupt nicht abträglich – eher sogar förderlich. Schon die ersten verheißungsvollen Töne des machtvollen Openers „Demonic Resurrection“ machen unmissverständlich klar, dass Daemon mit seiner Neubesinnung auf den schnörkellosen Black Metal die richtige Entscheidung getroffen hat.
Mit furiosen Tremolo-Riffs und nicht minder zügellosem Drumming, das reich an rasenden Double-Bass- und Blast-Beat-Passagen ist, attackiert LIMBONIC ART für eine gute Dreiviertelstunde Sinne und Seele des Hörers. Während man eines solchen schwarzmetallischen Dauerfeuers bei vielen anderen Bands aufgrund mangelnder Variation nur allzu bald überdrüssig wird, bekommt man hier gar nicht genug davon. Das liegt neben den hammerharten, aber auch düsteren und epischen Riffs („Triumph Of Sacrilege“) und den druckvollen Drums vor allem an den ausdrucksstarken Vocals, die von garstigen, geradezu besessen klingenden Screams über dramatische, opernhafte Cleans bis hin zu mysteriösem Flüstern reichen.
Dass LIMBONIC ART stellenweise dann doch wieder der eigenen Vergangenheit in Form von okkult-atmosphärischen Keyboards und Orgeln („Disciplina Arcani“) gedenkt, wirkt im Kontext des Albums absolut stimmig und ist nicht etwa mangelnder Konsequenz beim neu ausgerichteten Songwriting geschuldet. Davon abgesehen, dass die vergleichsweise langen Songs auf „Spectre Abysm“ kompositorisch beeindrucken, könnte auch die Produktion nicht besser sein: Durch den schlagkräftigen Sound wirken die Arrangements sogar noch niederschmetternder, dennoch bleibt genug Raum für Atmosphäre.
Ob man LIMBONIC ART immer noch zutreffend als symphonische Black-Metal-Band bezeichnen kann oder ob den Keyboards nur noch eine ergänzende Rolle im Stilmittel-Repertoire zukommt, ist sicherlich Stoff für Diskussionen in der Fangemeinde. Außer Frage steht hingegen, dass das nunmehrige Soloprojekt die eigene Diskographie mit „Spectre Abysm“ um ein ganz und gar bemerkenswertes Langeisen erweitert hat, das mit abwechslungsreichem, außergewöhnlich starkem Gesang sowie kraftvollem Riffing und Drumming alles nötige in sich vereint. Falls die fehlende Orchestrierung überhaupt eine Leere hinterlassen haben, so ist es LIMBONIC ART zweifellos gelungen, diese gehörig zu füllen.
Wertung: 8.5 / 10