Ach, die Vergangenheit. Damals, als das Universum noch aus Holz war, Satan auf dem Spielplatz spielte und jeder Bub in Norwegen eine Black-Metal-Band gründete. Es ist ein gutes Gefühl, mal zurückzublicken, und es ist ein ebenso gutes Gefühl, die Musik von damals aufzunehmen. Auch wenn das alles jetzt auch schon dreißig Jahre her ist, man nicht mehr wie ein Singvogel trällern kann und dann auch noch vor einigen Jahren diese Scheidung von Gitarrist Morfeus, also ich weiß ja nicht…egal! Multiinstrumentalist Vidar „Daemon“ Jensen pfeift sympathischer Weise auf all diese Zurichtungen, die das Leben so bietet und nimmt einfach ein neues LIMBONIC ART-Album auf. Mitsamt DER BM-Tinder-Anmache des Jahres. Na, wenn das nichts ist!
Aber ist das was? Wir erinnern uns: Mitte der 90er schufen LIMBONIC ART mit Scheiben wie „Moon In The Scorpio“ oder „In Abhorrence Dementia“ Meilensteine des symphonischen Black Metals, die niemand als „untrue!“ oder „ausgewhimpt!“ beschimpfen würde, der ansonsten beim Gedanken an ein Keyboard schon Hitzewallungen bekommt. Das ist nun zugegebenermaßen schon etwas her. Zwischenzeitlich hat Daemon nicht nur seinen Gitarristen, sondern größtenteils auch die Keyboards verloren, so dass von LIMBONIC ART ein sehr melodisches, sehr schnelles und sehr in den 90ern verhaftetes Projekt übrigbleibt. Das muss per se nichts Schlechtes heißen. Und tut es auch nicht. Aber eben auch nicht mehr.
„Opus Daemoniacal“ („Wie heiße ich? Ich heiße Daemon!“) startet mit den einleitenden Riffs von „Ad Astra Et Abyssos“ genauso: Hochgeschwindigkeit, rasante Gitarrenmelodien, die noch immer eine seltsam astrale Atmosphäre ausstrahlen und lange, ausgefeilte Songstrukturen. Dazu etwas, was im Genre ungewöhnlich ist: Daemon gönnt sich echte Refrains mit Wiedererkennungswert (später bei „Vir Triumphalis“ sehr schön zu hören). Das gibt dem Hörer einen gern genutzten Orientierungsanker, denn Struktur und Songs des Albums ähneln sich recht stark. Ob man jetzt genau in den rasanten Melodiebögen von „Defy Thy Master“ ist oder doch schon beim (sehr starken!) Finale von „The Wrath Of Storms“, lässt sich nicht immer genau sagen. Viel dazu bei trägt der sehr künstlich klingende Drumcomputer, der nur Geschwindigkeit kennt und zwischen Doublebasspassagen und Blastbeats wechselt. Richtiggehende Abwechslung findet sich auf „Opus Daemoniacal“ nicht. Langfristigen Spaß bietet das abschließende „Ars Diaboli“, benötigt aber in seiner Fülle wiederum die volle Aufmerksamkeit des Hörers. Die aber durch das Vorangegangene schon arg strapaziert wurde.
Dafür stimmen die Grundzutaten: Die Riffs sind eindeutig als Kinder der 90er zu erkennen, die gesamte Herangehensweise ist auf authentische Art und Weise derart konsequent in der eigenen, scheinbar nie wirklich veränderten musikalischen Vision verwurzelt, dass es Respekt abnötigt. Hier haben wir einen Musiker, dem die Entwicklungen der letzten 30 Jahre ganz herzlich egal sind. Das ist für alle Fans dieser Musik eine schöne Sache – auch wenn es um die Keyboards tatsächlich schade ist. Auch hier wäre eine Null-Entwicklung schöner gewesen. Allerdings ist Konsequenz und Vision nicht immer gleichbedeutend mit spannender Musik. Und hier hapert es etwas bei LIMBONIC ART in diesen Tagen. Für die 90er-Party super, aber auf dem großen Stapel neu erscheinender Musik wird Vidar über ein paar Auflege-Runden aus Respekt nicht wirklich hinauskommen.
Und da ist noch der Running-Gag des Albums. Wer sich selbst „Daemon“ nennt und dann einen Track namens „I Am Your Daemon“ auf die Platte presst, braucht sich über pubertäre Witze nicht zu wundern. Gut, schon Dark Funeral hatten mal ein satanisches Liebeslied über Sex mit Dämoninnen („My Latex Queen“, auf der Latein-Pennälerstunde „Angelus Exuro Pro Eternus„), aber man wird ein gewisses Gefühl von Putzigkeit nicht los. Sollten Black Metal -Alben putzig sein? Und was will uns das Video zum Opener eigentlich sagen? Wir der eisige Frostspeer in den Toren der Versuchung versenkt? Eine Tinderbotschaft versandet leise in den Weiten des Alls…..
Wertung: 6.5 / 10
Ein Limbonic Art-Album für Menschen, die Limbonic Art nicht mögen. Kann man hören, tut nicht weh, kann man aber auch in der Versenkung verschwinden lassen, ohne dass man was verpasst hat.
Da hege ich aktuell mehr Hoffnung auf ein neues Odium-Album.
Limbonic Art und damit Daemon haben halt nicht verstanden, woraus der KVLT der 90er-Alben denn nun seine Berechtigung zieht. Das haben andere wie der Ex-Emperorsche Nasenmann mittlerweile einfach besser begriffen.
Achja. Saubere Rezension mit Polemik, da wo sie hingehört. Vielen Dank, hatte beim Lesen mehr Spaß als beim Hören des Albums.